Oktober 2014

Bild 01: Seseli cf. osseum_Merkenstein_6. August 2014

einzelne Pflanze des Meergrün-Sesels auf einem Felsen über einem Laubwald

 

Der

Meergrün-Sesel (Seegrüner Bergfenchel, Knochenharter Bergfenchel) / Sesli osseum

wurzelt in extremen Standorten, in Felsritzen und in humusarmen Dolomitschuttflächen. Von diesen vollsonnigen Plätzen dringt er bisweilen auch in anschließenden Randbereichen von Schwarzföhrenwäldern vor (Juli 2013, Bild 5).

 

Bild 02: Seseli cf! osseum_Hauerberg_10. Juni 2014

Dichter Bestand von Meergrün-Sesel auf einer Schuttfläche am Rande einer Sandgrube

 

Bild 03: Seseli cf! osseum_beim Jubiläumskreuz_11. August 2002

einzelne Pflanzen des Meergrün-Sesels auf einer Dolomitschutthalde

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Bild 04: Blätter von Seseli cf. osseum
klein li ob: Bohrmuschelfelsen_10. 05.2007
groß oben: beim Jubiläumskreuz_11.08.2002
klein li Mitte: Merkenstein, Ruine, Felsen_13.09.2014
klein Kreis: Merkenstein, Tiergarten, Forststraße_15.08.2004
groß unten: Riesleiten_14.09.2014
Die Blätter sind fein zerteilt und setzen sich aus etwa 1mm breiten Abschnitten zusammen. Diese stark reduzierten Flächen der Blattspreiten verringern die Verdunstung beträchtlich und ermöglichen ein Überleben auf diesen äußerst trockenen Standorten.

schmale Blätter des Meergrün-Sesels

 

Die Abgrenzung gegenüber dem im Gesamterscheinungsbild sehr ähnlichen
Österreich-Sesel /Seseli austriacum
ist sehr schwierig. Als sichere(?) Unterscheidungsmerkmale können Oberflächenbeschaffenheit und Schnittbild der reifen Früchte dienen.
[ Xflora: 844, SEEFRIED: 206]

Zur Abklärung der Frage, welche der beiden Arten auf Vöslauer Gemeindegebiet vorkommt, wurden an vier Vöslauer und zwei  Badener Fundorten an insgesamt 26 Pflanzen die Doldenstrahlen je Dolde ausgezählt. Von jeder dieser Pflanzen wurden einige Früchte entnommen, Querschnitte angefertigt und deren Ölstriemenverteilung   notiert.  Auszugsweise und exemplarisch werden Protokollteile in einer Tabelle [Bild 05] präsentiert. Insgesamt  wurden von 638 Dolden von 32 Pflanzen die Strahlenzahl ermittelt und von insgesamt 90 Teilfrüchten Schnitte angefertigt

 Bild 05: Auszug aus dem Untersuchungsprotokoll (Anmerkung zu den Striemen: Jede Teilfrucht hat zwischen den Rippen 4 Tälchen, sodass bei 3 Schnitten 12 Plätze für Ölstriemen angeschnitten werden. Jede Fugenfläche hat 2 Striemenorte, bei 3 Teilfrüchten werden 6 angeschnitten.  Vgl. dazu  Bild 09)

 Auszug aus dem Protokoll

Die Werte sprechen für Seseli osseum.

 

Bild 06 & Bild 07: Früchte von Seseli osseum  ( & S. austriacum?)
   Die Oberflächen der Früchte des  Meergrün-Sesels / Seseli osseum (S. beckii) sind kahl oder fein flaumig (1 bis 5b), die des Österreich-Sesels / Seseli austriacum mit winzigen weißlichen Schüppchen besetzt (6).
   Von den im September 2014 untersuchten 26 Pflanzen [1] konnte ich nur an einer Pflanze Schüppchen wahrnehmen (Bild 07 /6), bei einigen war die Entscheidung schwer zu treffen (Bild 07 /7,8). Die Oberflächen der meisten Früchte waren glatt ( Bild 06/2) bis warzig (ähnlich der Haut einer Erdkröte) (Bild 06/1,3) oder dicht mit kurzfädigen Papillen (="feinflaumig" [2]) bedeckt (Bild 06 / 4, 5).
   [1] 19 an vier Vöslauer Fundorten Riesleiten, Hauerberg, Merkenstein, Kaiserstein, 7 bei den Badener Burgruinen Rauhenstein und Rauheneck
   [2] „[...] an den noch unentwickelten Früchten ist dieser Unterschied kaum zu erkennen. Die Fruchtbekleidung kommt in beiden Fällen zustande durch einfache papillöse, stellenweise gehäuft auftretende Ausstülpungen von Epidermiszellen; und da diesbezüglich ein Unterschied nur darin besteht, daß die Ausstülpungen bei Seseli austriacum meist derber und zahlreicher sind als bei Seseli Beckii [ =S. osseum], so möchte ich, weil das „feinflaumig" auf ausgesprochene Haargebilde schließen lassen könnte, statt dieses Ausdrucks lieber "mehlig-bestäubt" anwenden." [SEEFRIED: 207]

Bild 06
1,2,3 =08.09.2014#2#_ Kaiserstein   4 = 28.08.2011_Manhartsberg   5 = 13.07.2014_Merkenstein
Früchte von Meergrün- (und Österreich-Sesel?)

Bild 07: 6 = 13.07.2014_Merkenstein  7 = 07.09.2014_Hauerberg Sandgrube    8 =03.08.2014_Kaiserstein


 Früchte von Meergrün- (und Österreich-Sesel?)

 

Bild 08: Seseli cf! osseum_li: beim Jubiläumskreuz_11. August 2002_re: Kaiserstein_8. September 2014
Die Früchte sind, wie bei allen Arten der Doldenblütler (Doldengewächse) / Apiaceae ( Umbelliferae) Spaltfrüchte, d. h., dass sie sich bei der Fruchtreife in zwei Teilfrüchte spalten, die anfangs an einem gegabelten (Y-förmigen) Fruchtträger hängen bleiben und später einzeln abfallen:

 Früchte des Meergrün- oder Österreich-Sesels, Schnitt und Details

 


Bild 09: Seseli cf! osseum_Kaiserstein_8. September 2014
Die Teilfrüchte beider Arten sind im Querschnitt fünfeckig, an den Ecken sitzen Rippen (gelbe Pfeile), die bei Seseli osseum deutlich dreikantig vorspringen, bei Seseli austriacum schwach oder fadenförmig ausgeformt sein sollen [1]. Zwischen den nach außen gerichteten Rippen liegen Tälchen (grüne Pfeile), die nach innen orientierten Fugenflächen, an denen sich die beiden Teilfrüchte berühren, sind flach ausgebildet. In den Tälchen und in den beiden Hälften der Fugenflächen liegen Ölstriemen (rote Markierungen, an den "Plätzen" 1 bis 6), die sich deutlich vom umgebenden Gewebe abheben.
[1] HEGI V2-1234, 1236: Diese Beschreibung der Form der Rippen steht oft im Widerspruch zu den bei Bild 9 gezeigten Merkmalen.

Schnittbild einer Sesel-Frucht mit Erläuterungen

 

 

Bild 10: oben Seseli cf! osseum _ unten Seseli cf! austriacum_beide! nebeneinander am Rande der Sandgrube am Abhang des Hauerberges_7. September 2014
Bei Seseli osseum liegen in jedem Tälchen und in jeder Hälfte der Fugenfläche je eine Ölstrieme, nur „ausnahmsweise da und dort zwei" [1],  bei Seseli austriacum sind die „Tälchen und beide Seiten der Berührungsfläche (der Halbfrucht) mit je zwei bis vier Striemen versehen" [2], „selten da und dort einzeln" [3] .
[1] HEGI V2-1229 [2] SEEFRIED: 203 [3] HEGI V2-1229; Xflora: 844; SEEFRIED: 203

Schnittbilder von Meergrün- und Östereich-Sesel

 

Bild 11: Querschnitte durch Früchte von Seseli cf! austriacum & S. cf! osseum (auch PDF)
a Hauerberg_07.09.2014
b Hauerberg_07.09.2014
c Kaiserstein_08.09.2014
d + e HauerbergSandgrube_07.09.2014
f Merkenstein_13.09.2014
g Merkenstein_13.09.2014
h Riesleiten_14.09.2014
i Hauerberg_07.09.2014
j Rauheneck_15.09.2014

Erläuterung zu den Zahlen: es bedeutet z.B. 3120 (wie bei Schnitt h), dass es an  3 Ölstriemenplätzen zwischen den Rippen einfache, an einem doppelte Striemen gibt und dass in den Fugenflächen auf beiden Hälften einfachen Striemen ausgebildet sind. (LINK zum pdf!)

Die Untersuchung der Querschnitte zeigt aber, dass die Zuordnung nicht so einfach ist, weil nicht nur „hin und wieder" oder „selten da und dort" Abweichungen auftraten, sondern etwa die Hälfte der 90 untersuchten Schnitte eine eindeutige Zuordnung nicht zuließen, da beide Striementypen und zahlreiche Mischformen vorkamen:

verschiedne Querschnitte durch Teilfrüchte von Sesli osseum

 

 


Bild 12: Tabellarische Darstellung der Häufigkeit der verschiedenen Ölstriemenmuster
Wenn auch die Zahl der untersuchten Pflanzen und Fruchtquerschnitte gering ist, zeigt sich doch, dass an allen (durch Wälder deutlich voneinander getrennten) Fundorten mindestens 4, meist 7 verschiedene Striemenmustertypen auftraten:
Die Felsen bei den Badener Burgruinen wurden deshalb aufgesucht, weil für diese Fundorte Seseli austriacum angegeben wurde [JANCHEN: 339] und die Hoffnung bestand, typische Pflanzen dieser Art zu finden.

Bei 44 Früchten waren alle Östriemen in den Tälchen einfach (4 0),
bei 6 alle doppelt (0 4).
Bei 20 Früchten waren je 2 einfach und 2 doppelt (2 2),
bei 12 Früchten 3 einfach und 1 doppelt (3 1),
bei 8 eine einfach und 3 doppelt (1 3).

Tabellarische Darstellung der Häufigkeit der verschiedenen Ölstriemenmuster

 

 

Bild 13: Tabellarische und grafische Darstellung des Verhältnisses der Striemenplätze mit einem und mit zwei Ölstriemen an den Außenflächen und den Berührungsflächen der Früchte der untersuchten Pflanzen .

Die Vermutung, dass Früchte, deren Fugenflächen auf beiden Seiten mit 2 oder mehr Ölstriemen ausgestattet sind, jedenfalls dem Seseli austriacum zuzuordnen wären [1], kann durch diese Sammlung von Querschnitten nicht bestätigt werden. Jedenfalls gibt es Früchte, bei denen in den Fugenflächen auf beiden Hälften 2 Striemen zu sehen sind, an den Zwischenrippenflächen aber doppelte Striemen nur 1, 2 oder 3 mal auftreten oder gar nur einfache Striemen ausgebildet sind. (> Bild 12)
Auch wenn man die Gesamtheit der protokollierten Striemen an den einzelnen Fundorten vergleicht, zeigt sich, dass die Zahl der zweifachen Striemen in den Fugenflächen (Kreisring rot) nicht mit jenen in den Tälchen (voller Kreis rot) korreliert. Blau stellt die Anteile der einfachen Ölstriemen dar. (> Bild 12 auch pdf )

[1] Vielleicht „könnte“ als  sicheres Zeichen für die Frucht von Seseli austriacum gelten, dass „mindestens die beiden Seiten der Berührungsflächen konstant deutlich zwei- bis mehrstriemig, nie aber einstriemig sind. Dies trifft aber nur für die Mitte der Früchte zu, da sich die Ölstriemen gegen die Fruchtenden  verlieren können, wodurch an Schnitten in  diesen Bereichen nur jeweils eine Strieme  zu sehen ist" [SEEFRIED: 203-205].  Es gilt also, die Schnitte gut zu platzieren, was bei Früchten von 2 bis 5 mm Länge nicht immer gelingt.  Fehlbestimmungen könnten dadurch passiert  sein. Vielleicht sind auch nicht exakt gesetzte Schnitte für die Aussage, dass es bei  S. austriacum  hie und da einzelne Ölstriemen geben kann [HEGI V2-1229], verantwortlich.

Tabellarische und grafische Darstellung des Verhältnisses der Striemenplätze

 

 

 

Bild 14:  Tabellarische und grafische Darstellung der Doldenstrahlenzahlen von 638 ausgezählten Dolden:
Als weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Meergrün-Sesel / Seseli osseum und dem Österrech-Sesel / Seseli austriacum wird die Anzahl der Doldenstrahlen je Dolde angegeben:
S. austriacum: 9-20 [1];, meist 9- bis 20- (und mehr-)strahlig [2]; ..oft bis 20 und mehr [3]
S. osseum: 5-15 [1], (5-) 7- bis 15-strahlig [2]; 15 wird selten überschritten [3]
[1] Xflora 844    [2] HEGI V2: 1234, 1236?   [3] SEEFRIED: 207

Mit diesem leicht erkennbaren Merkmal sollte die Zuordnung der Individuen zu einer Art möglich sein, bzw. die anhand der Querschnitte erstellte Diagnose gestützt werden können. Dazu wurden  am Fundort an 32 Pflanzen von allen Dolden jeder Pflanze die Strahlen gezählt. Von den dabei erfassten 638 Dolden hatte keine mehr als 13, mindestens 70% der Dolden hatten nur 4 bis 8 Strahlen. Diese Pflanzen müssten jedenfalls dem Seseli osseum zugeordnet werden. Im Überlappungsbereich liegen die restlichen etwa 15 bis 30%, deren Werte (9 bis 13 Doldenstrahlen je Dolde) für beide Arten infrage kommen. (Bei den Pflanzen von den Standorten bei den Badener Ruinen: alle haben auch Dolden mit weniger als 9 Strahlen, nie mit mehr als 16. )

Tabellarische und grafische Darstellung der Doldenstrahlenzahlen von 638 ausgezählten Dolden

 

Die Schwierigkeiten der eindeutigen Bestimmung ergeben sich auch daraus, dass „ die vegetativen Merkmale (Breite der Blattzipfel, Zahl und Länge der Doldenstrahlen) zu wenig ausgeprägte Unterschiede bieten. Aber selbst die Beschaffenheit der Frucht (Ausbildung der Rippen, Zahl und Verteilung der Ölstriemen usw.; [...]) weist gewisse Schwankungen und morphologische Annäherungen (um nicht zu sagen : Übergänge) zwischen beiden Arten auf.." [1] Der Unterschied in der Striemenzahl scheint demnach nicht ein so einschneidendes Unterscheidungsmerkmal zwischen unseren beiden Spezies zu sein [...] auch die anderen [...] Merkmale sind „ziemlich geringfügige und oft schwankende".[2]
[1]SEEFRIED: 198 206;    [2] HEGI V2: 1236

Es kann also mit Sicherheit nur gesagt werden, dass die Vöslauer Pflanzen zur

Artengruppe des Hohen Bergfenchels / Seseli elatum agg. [1]

gehören, dass zumindest der größte Teil

Meergrün-Sesel / Sesli osseum ist,

möglicherweise auch

Österreich-Sesel / Seseli austriacum vorkommt.

[1] Zu dieser Artengruppe werden noch zwei weitere in Österreich nicht vorkommende Arten, Seseli elatum und Seseli gouanii, gezählt [GUTERMANN & al. 1973: 255]

Bild 15: Seseli cf! osseum_Hauerberg_27. Juli 2011

Meergrün-Sesle auf einer durch Sandabbau entstandenen Schuttfläche