Video und Bericht: Zeitzeugin Hermine Sevcik erzählt

Projekt „Audit - Familienfreundliche Gemeinde"

Im Rahmen des Projekts „Audit* - Familienfreundliche Gemeinde" der Stadtgemeinde Bad Vöslau werden seit einigen Monaten Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen mit der Kamera aufgezeichnet, um Erfahrungen von älteren Menschen in den vergangenen Jahrzehnten für die Nachwelt zu dokumentieren. Werner Feltrini und Werner Predota (Kamera) haben aus diesem Anlass bisher zwei Zeitzeuginnen vor das Mikrofon und die Kamera gebeten: Nach Johanna Sebestik war es diesmal Hermine Sevcik, die von ihrem Leben in der Kriegs- und Nachriegszeit in der „Vöslauer Kammgarn-Fabrik" (1834 - 1978) erzählt hat.

Hermine Sevcik   mit Werner Feltrini (links) und Gerhard Sevcik sowie Tochter Christine Ungersböck, die auch in der „Vöslauer“ gearbeitet hat.

Hermine Sevcik mit Werner Feltrini (links) und Gerhard Sevcik sowie Tochter Christine Ungersböck, die auch in der „Vöslauer" gearbeitet hat.

Hermine Sevcik, Jahrgang 1925, hat als 15-Jährige als Lehrling in der „Vöslauer“ zu arbeiten begonnen und war bis zu ihrer Pensionierung in diesem Betrieb tätig. Sie hat vor allem die Kriegs- und Nachkriegsjahre in diesem ehemaligen Vöslauer Traditionsunternehmen mit mehr als 4.000 Beschäftigten (Zweigwerk in Möllersdorf) erlebt und hat viele Entbehrungen durchgemacht. Ihr Arbeitsleben war geprägt von der Spinnerei bis zur Weberei, wo sie im Akkord bis zu 13,50 Schilling pro Stunde verdient hat. Besondere Eindrücke haben die letzten Kriegsmonate und die Zeit nach dem Russeneinmarsch hinterlassen. Von der Flucht in die „Sandgrube“ bis zur Wiederinbetriebnahme der „Vöslauer“ hat sie vieles durchgemacht. Die Russen haben vor allem in der Anfangszeit der Besatzung Furcht und Schrecken verbreitet, was vor allem Frauen und Kinder betroffen hat. Erst nach einigen Monaten hat sich die Situation gebessert und die russischen Offiziere – „sie waren sehr gebildet und anständig“ – haben dann mitgeholfen, dass die Fabrikation wieder aufgenommen werden konnte. Sie haben für die Beschäftigten und auch deren Angehörige sogar mit einer Gulaschkanone aufgekocht.

Der „Mann der Stunde“ der Fabrik aber war damals Direktor Paul Mann, der als einzige Führungskraft nicht geflüchtet ist und für den Wiederinbetriebnahme der Produktion gesorgt hat. Aber auch sonst weiß Hermine Sevcik viel zu erzählen. Die „Vöslauer“ war ein äußerst soziales Unternehmen. Es wurden Wohnungen zur Verfügung gestellt (Miete 8 Schilling), ein Betriebskindergarten wurde eingerichtet, ein Wannenbad konnte einmal pro Woche von den Familien besucht werden, es gab Erholungsurlaube in Mönichkirchen und Puchberg, u. v. m.

Bad Vöslau und die ganze Umgebung hat von und mit der „Vöslauer“ gelebt. Und wäre der letzte Generaldirektor Dr. Franz-Josef Mayer-Gunthof  früher ans Ruder gekommen, so Sevcik, hätte die Fabrik wahrscheinlich trotz aller Krisen überlebt. So aber führten die Interimsdirektoren das Werk in den Ruin. Ein Werk, das Generationen von Familien jahrzehntelang ernährt hat.

Das Interview mit der Zeitzeugin haben Werner Feltrini und der Sohn von Hermine Sevcik, Gerhard Sevcik, geführt. 

Ein Audit untersucht, ob Prozesse, Anforderungen und Richtlinien die geforderten Standards erfüllen. Im Englischen bedeutet audit „Bücherprüfung, Rechnungsprüfung“, dies geht wiederum zurück auf lateinisch auditus zu audire = hören.