Juni 2016

Orchideen  / Orchidaceae 2

Waldvögelein / Cephalanthera  Bild 01 bis 08
Waldhyazinthe / Platanthera Bild 09 bis 16
Zweiblatt / Listera  Bild 17 bis 22

Nestwurz / Neottea nidus-avis Bild 23 bis 26
Korallenwurz / Corallorhiza Bild 27 bis 28
Dingel / Limodorum Bild 29 bis 31



Waldvögelein / Cephalanthera


Bild 01: Cephalanthera damasomium_19. Mai 2008_Remise

Im Blütenstand des Breitblatt-Waldvögeleins sind 3 bis 8 (selten nur 2 oder bis zu 17) Blüten angeordnet, die sich oft, vor allem an schattigen Standorten, nur wenig bis gar nicht öffnen. Die Befruchtung tritt dann nach Selbstbestäubung ein: Die Pollinien neigen sich zur Narbe. An besonnten Standorten können sich die Blüten öffnen und werden dann von Bienen bestäubt. [PRESSER: 264]

Breitblatt-Waldvögelein im Schatten des waldes

Bild 02: Cephalanthera longifolia_05. Juni 2016_Hoher Lindkogel
Das Langblatt-Waldvögelein wächst meist auf etwas weniger schattigen Standorten, die Blüten sind meist halb geöffnet und werden meist von Hummeln bestäubt. Neben der Fremdbestäubung ist auch Selbstbestäubung möglich [PRESSER: 266 ; Xflora : 1052]

Schmalblatt-Waldvögelein im lichten wald

Bild 03: links = Cephalanthera damasomium_05. Juni 2016_Kalkgraben__rechts = C. longifolia_oben: 25. Mai 2003_Geißberg_unten: 5. Juni 2016_Hoher Lindkogel
Die beiden weiß blühenden Waldvögelein-Arten unterscheiden sich in der Tönung der weißen Blütenfarbe und der Blattform:
Das Breitblatt-Waldvögelein / Cephalanthera damasomium hat elfenbeinfarbige Blütenblätter und relativ breite Laubblätter (d.h. 2-3 mal so lang wie breite),
das Schmalblatt-Waldvögelein / Cephalanhera longifolia hat reinweiße Blütenblätter und relativ schmale Laubblätter (d.h. 4-6 mal so lang wie breit).
Der Weißton ist, wenn nur eine der beiden Arten im Blickkreis steht, manchmal schwer zu beurteilen, die Form der Blätter (und meist auch ihre Zahl) und die Länge der Tragblätter der mittleren Blüten sind eindeutige Unterscheidungsmerkmale. (siehe Bild  05)

Unterschied in der Blütenfarbe bei den beiden weißen Waldvögeleinarten

Bild 04: Cephalanthera damasomium_15. Juni 2016_junger Schwarzföhrenwald am Rand der Remise
Die 4 bis 14 Laubblätter des Schmalblatt-Waldvögeleins sind meist zweizeilig, bisweilen aber auch allseitswendig angeordnet (Bild 05), die 2 bis 5 Blätter des Breitblatt-Waldvögeleins sind wendeltreppenartig nach allen Seiten gewandt, manchmal aber auch die aufeinanderfolgenden Blätter jeweils beinahe in die entgegengesetzte Richtung orientiert. Durch die größeren Abstände zwischen den einzelnen Blättern des Breitblatt-Waldvögeleins fällt dann diese Blattstellung nicht als zweizeilig auf. Oft sind zwei benachbarte Blätter entgegengesetzt orientiert, die weiteren unter einem Winkel dazwischen angeordnet. Also: „Allseitswendig“ [Xflora 2008] kann bei Cephalanthera damasomium nicht immer überzeugen. Die meisten Autoren messen dem Merkmal „Orientierung der Laubblätter“ keinen besonderen Wert bei [1]. Die Längen-Breiten-Verhältnisse der Stängelblätter (unterhalb des Blütenstandes) [=LB]  und die Tragblätter [ = TB] der mittleren Blüten  (siehe folgendes Bild 05) sind verlässlichere Merkmale.
[1] Angaben in der Literatur zur Stellung der Laubblätter:
BUTTLER: C. longifolia: k. A.. ; C. damasomium: k. A.
FISCHER & FALLY: C. longifolia: k. A.. ; C. damasomium: k. A.
GRIEBL: C. longifolia: zweizeilig; C. damasomium: k. A.
HESS & al: C. longifolia: k. A. ; C. damasomium: k. A.
MAURER W.: C. longifolia: ± 2zeilig angeordnet. ; C. damasomium: nicht 2zeilig.
PRESSER: C. longifolia: k. A. ; C. damasomium: k. A.
VITEK & al: C. longifolia: k. A.. ; C. damasomium: k. A.

Blattstellungen bei den beiden weiß blühenden Waldvögeleinarten

Bild 05: Cephalanthera lomgifolia_oben: 5. Juni 2016_Hoher Lindkogel_unten: 22. Mai 2011_zwischen Trenkerkreuz und Hofstätten
Blattstellungen beim Schmalblatt-Waldvögelein

Bild 06: Cephalanthera damasomium_a: 24. Mai 2005_Heckensaum Oberkirchen__b: 7. Juni 2012_Laubmischwald Grottenfeld__Cephalanthera longifolia_c: 19. Mai 2002_ Soosser Wald_d:11. Mai 2010_Graben im Schwarzföhrenwald oberhalb Reisacherberg_e: 18.Mai 2006_Flaumeichenwald beim Bohrmuschelfelsen
Die Tragblätter der Blüten (rote Pfeile) sind beim Breitblatt-Waldvögelein ähnlich geformt wie die Stängelblätter unterhalb des Blütenstandes (a,b) und länger als die Fruchtknoten (gelbe Pfeile), bei den obersten auch so lang wie oder kürzer als die Fruchtknoten (b).
Beim Langblatt-Waldvögelein sind die Tragblätter auffallend kleiner und kürzer als die Fruchtknoten, oft nur wenige mm lang (c,d,e). Die beiden untersten Tragblätter können manchmal auch deutlich länger sein (d).

Tragblätter bei den beiden weiß blühenden Waldvögeleinarten

Bild 07: Cephalanthera rubra_28. Juni 2015_Rand eines Buchenwaldes an der Straße nach Schwarzensee südwestlich von Merkenstein
Cephalanthera rubra hat keinen von alters her überlieferten volkstümlichen, mundartlichen Namen [1], aber einen zutreffenden alltagssprachlichen, der seinen Ursprung wohl in einem künstlich gebildeten Büchernamen hat: Erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird diese Art in Büchern Waldvögelein genannt [2, 3]: Die paarigen Kelchblätter lassen an die Flügel, die spitze Unterlippe an den Schnabel eines auffliegenden kleinen Vogels denken.
Die Blütenfarbe wird in fast allen Botanikbüchern als Rot bezeichnet: Rotes Waldvögelein. Angebrachter ist wohl: Purpurrotes Waldvögelein [4]
[1] HÖFER&KRONFELD:32-33
[2] NEILREICH 201-202 gab noch in der Flora von Niederösterreich neben dem wissenschaftlichen Gattungsnamen Cephalanthera nur den Büchernamen Cephalanthere an [3] MARZELL 1: 892
[4] Xflora 2008: 1053; GRIEBL: 48; Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Purpur_(Farbe) ; https://de.wikipedia.org/wiki/Rot

Teil des Blütenstandes vom Purpurroten Waldvögelein

Bild 08: Cephalanthera rubra
1 =  28. Juni 2015_Rohrbachtal, Waldrand BuWald
2 = 12. Juni 2005_Mischwald bald nach Ende Stranskystraße
3 = 04. Juli.2004_BuWald zw. Himmel und Hofstätten
4 = 14. Juni 2005_nahe oberhalb derHelenenhöhe
5 = 26. Juni 2005_Turmwiese Merkenstein
6 = 03. Juli 2010_Laubwischwald Tiergarten Merkenstein
7 = 12.Juni 2016-Buchenwald Tribuswinkler Graben
8 = 25. Juni2014_Rohrbachtal (Engstelle Hauptdolomit)
9 = 20.Juni 2010_ Buchenwald Grenzgraben, ca 580 msm
Das Purpurrote Waldvögelein wächst als Halbschatten- bis Schattenpflanze [1] in Föhren-, Eichen- und Buchenwäldern über Kalk, im lichten, aber auch im dichteren Schatten, also vom Harzberg bis zum Hohen Lindkogel. Die Art kommt nur sehr zerstreut vor, an jedem Fundort können aber mehrere Pflanzen blühen.
[1] Zeigerpflanzen Karrer

Purpurrotes Waldvögelein, mehrere Standortfotos


Weiß-Waldhyazinthe / Platanthera bifolia

Bild 09: Platanthera bifolia_13. Juni 2010_Hanifland
Der süße, hyazinthenartige (?) Duft, den die Pflanze besonders abends, nachts und bei trübem Wetter verbreitet, hat dieser Orchidee zum Büchrernamen Waldhyazinthe verholfen [1].
Es werden auch andere Duftqualitäten festgestellt, die sich in deutschen Volksnamen finden: Goldlack /Erysimum (Cheiranthus) cheiri , ist (war?) in der Oststeiermark Veigel, daher „Waldveigel“, auch  „Zimtblume“, „Heide-Vanille“ u.a.. [2] Susanne Karner  berichtet, dass ihre Großmutter (geb. etwa 1890) die auf dem Harzberg wachsenden Pflanzen „Speikblumen“ genannt hat. (Also doch ein Vöslauer/Gainfarner Volksname, den HÖFER & KRONFELD [3] nicht erfasst hatten).
[1] MARZELL 3: 840    [2] MARZELL 3 841-842   [3] HÖFER & KRONFELD : 32-33

Zwei Pflanzen der Waldhyazinthe

Bild 10: Platanthera bifolia_22.Mai 2003_an der Brunntalstraße
Der Duft lockt in der Dämmerung Nachtfalter, vor allem verschiedene Schwärmer-und Mottenarten, an, die mit ihren langen Rüsseln Nektar aus dem langen Sporn aufnehmen können [1]. Die weiße Farbe wird bei schwachem Licht den Schmetterlingen sicherlich das Auffinden der Blüten erleichtern.
Das mittlere Kronblatt ist zu einer zungenförmigen Lippe [1] ausgezogen und nach hinten zu einem schlauchförmigen Gebilde, dem Sporn, umgeformt. (Bei zwei Blüten weisen kleine weiße Pfeile auf den jeweiligen Nektarstand.)
[1] NILSSON & MOSSBERG: 68; PRESSER: 196
Details der Blüten der wealdhyazinthe

Bild 11: Platanthera bifolia_07.Juni 2009_Haidlhoferwald
Der Stängel entspringt einer im Vorjahr mit Vorratsstoffen gefüllten Knolle und kann bis zu einem halben Meter (oder wenig höher) werden. Er trägt am Grunde zwei (selten 3), bis zu 22cm lange, eiförmige, darüber einige wenige viel kleinere schmale Blätter.

mehrere Waldhzyazinthen im schattigen Wald

Bild 12: Platanthera bifolia_09.Juni 2003_Lusthausboden
Die Waldhyazinthe kommt in weiten Teilen Österreichs vor. In Vöslau finden wir sie zerstreut in verschiedenen Laub- und Mischwäldern, oft zu wenigen oder auch zu mehreren beisammen stehend: In dieser Lichtung auf dem Lusthausboden konnten auf einem Quadratmeter etwa 15 Individuen gezählt werden. (Vorne der Rest eines Fruchtstandes vom Vorjahr)

mehrere Waldhzyazinthen in einer Waldlichtung


Grünlich-Waldhyazinthe / Platanthera montana (P. chlorantha)

Bild 13: Platanthera montana (chlorantha)_26. Mai 2015_Harzberg
Neben der Weiß-Waldhyazinthe / Platanthera bifolia gibt es eine weitere Art, die dieser äußerst ähnlich sieht, bei der die Blütenhülle, besonders die Lippe, etwas stärker grünlich gefärbt ist: die Grünlich- oder Berg-Waldhyazinthe / Platanthera montana (P. chlorantha).

Blütenstand einer Grün-Waldhyazinthe

Bild 14: oben_Platanthera bifolia_11.Juni 2006__unten_Platanthera montana (chlorantha) 29. Mai 2005__beide: unterer Harzberg

Diese Unterschiede in der Färbung lassen eine Unterscheidung aber nicht immer zu. Es gibt aber zwei Merkmale, die gut zu erkennen sind:
Bei der Weiß-Waldhyazinthe stehen die Antherenfächer [1] in einem Abstand von etwa 1mm parallel zueinander, bei der Grünlich-Waldhyazinthe sind deren Spitzen etwa 2 mm, ihre unteren Enden etwa 4 mm voneinander entfernt.
[1]Siehe Text zu Bild 02a in Mai 2016

Blüten von Platanthera bifolia und P. chlorantha

Bild 15: Alle Bilder vom Harzberg zwischen etwa 320 und 400 m.s.m.
1 = Platanthera bifolia_4. Juni 2015
2 = Platanthera montana_26. Mai 2015
3 & 4 = P. montana_1. Juni 2005
3 Die leeren Staubbeutelfächer (Antherenfächer) spreizen nach unten auseinander.
4 Die Staubbeutelfächer sind leer. Ein Pollenpaket haftet noch am Blütengrund nahe dem Sporneingang, durch den Insekten ihre Saugrüssel einführen (Peile!), fest          (vgl Mai 2016: Bild 02a)

Unterschiede im Blütenbau der beiden Waldhyazintharten

Bild 16:
Platanthera montana_oben & links_26. Mai 2015
Platanthera bifolia_unten 11. Juni 2006_rechts 4. Juni 2015
alle: Harzberg
Die Sporne der Weiß-Waldhyazinthe sind über ihre gesamte Länge etwa gleich stark mit rundem Querschnitt bis zur Spitze, die der Grünlich-Waldhyazinthe sind im letzten Teil deutlich flach gedrückt und verbreitert.
Hybriden zwischen den beiden Arten (Platanthera x hybrida) kommen nicht selten vor. Bestimmungskriterium dürften die Abstände zwischen den Antherenfächern sein, für die im Durchschnitt für P. bifolia 1,05 mm ermittelt wurde, für P. montana 4, 3 mm und für die Hybride 1,3 bis 1, 8 mm. [GRIEBL: 311]


Groß-Zweiblatt / Listera ovata (Neottia ovata) 

Bild 17: Listera ovata_21. April 2004_Auwald bei Pottendorf
Das Große Zweiblatt hat (meist) zwei große eiförmige (ovata) bis elliptische Blätter. Der Gattungsname Neottia bezieht sich auf eine andere Art der gleichen Gattung, der Vogel-Nestwurz. (siehe Bild 23 bis 26)
Die Art kommt europaweit und nach Osten bis zum Nordwesthimalaya vor [Wikipedia], in Österreich in fast allen Landesteilen, nur in größeren Höhen [1] und in den nördlichen Landesteilen von Nieder- und Oberösterreich tritt sie spärlich auf [2]. Sie benötigt frischere Böden und wächst daher in (wechsel)feuchten Wiesen und frischen Edellaubwäldern . Auf dem Boden der Gemeinde Bad Vöslau trift man sie zerstreut in feuchteren Wiesenböschungen und in (Säumen von) Laubwäldern an.
[1] höchster Fundort 2030 m.s.m. (GRIEBL: 228) [2] GRIEBL: 229-Verbreitungskarte

Zweiblatt mit noch jungem Stängel

Bild 18: Listera ovata_19. Juni 2016_ Mischwald auis Buchen, Tannen, Eichen und Edelkastanien an der Straße von Haidlhof zur Beswaldföhre

Der Stängel kann bis zu einem halben Meter (selten etwas höher) heranwachsen und trägt zahlreiche kleine, durch ihre grüne Farbe unscheinbare Blüten, wodurch die Pflanze insgesamt wenig auffällt.

blühendes Zweiblatt total

Bild 19: Listera ovata_30. Mai 2004_Böschung zwischen Feldern und Wiesen, Grosssau, unterhalb des Rauhenbigls
Ein Lichtstrahl zum rechten Zeitpunkt kann auch diese unscheinbare Orchidee in Szene setzen.

Blütenstand von einem Zweiblatt

Bild 20: Listera ovata_wie Bild 19
Die Blüte des Großen Zweiblattes hat eine Lippe, die in zwei Zipfel endet.

Einzelblüten vom Zweiblatt


Bild 21: Listera ovata_27. Mai 2002_Lichtung im Mischwald mit Rot-Föhren, Vogelsang, Grossauer Höhe
Ein „muffiger Geruch“ [1] lockt zahlreiche kleine Käfer- und Hautflügler, Stein- und Köcherfliegen, Larven von Heuschrecken [2] und Fliegen [3] zum reichlichen Nektarangebot, das auf einer schmalen Leiste zwischen den beiden Lippenzipfeln präsentiert wird.
[1] PRESSER: 192 [2] GRIEBL nennt etwa 45 Arten, die in Österreicha als Bestäuber festgestellt wurden. [3] PRESSER: 192

Die Nektarlippe des Zweiblattes

Bild 22: Listera ovata_20. Mai 2009_Gradental
"Wenn auch selten, so doch ab und zu trifft man an den langen, oberflächlich streichenden Wurzeln Wurzelknospen [...] Das dürfte wohl die Neigung der Pflanze zu geselligem Auftreten erklären." [1]
[1] KIRCHNER & al: 175

Mehrere Triebe aus einem Rhizom des Zweiblattes


Nestwurz / Neottia nidus-avis 

Bild 23: Neottia nidus-avis_10. Mai 2002_Schwarzföhrenwald oberhalb der Helenenhöhe
Die Nestwurz fällt durch ihre Chlorphylllosigkeit auf. Pflanzen erzeugen die Stoffe zum Aufbau ihres Körpers und zu dessen Betrieb mit Hilfe des Lichtes aus Wasser und Kohlendioxid, geringe Mengen von Mineralstoffen helfen als Dünger bei diesen Stoffwechselvorgängen. Voraussetzung für diese lebenserhaltenden Vorgänge ist das Blattgrün, das Chlorophyll. Ohne Licht und ohne Chlorophyll müssen Pflanzen verhungern.
Wie kann dann die Nestwurz, der das Chlorophyll fehlt, leben? Sie ernährt sich, wie das Tiere tun, dadurch, dass sie Teile von einem andern Lebewesen „frisst“.

Eine  Nestwurz



Bild 24Neottia nidus-avis_20. Mai 1982
Die Samen aller Orchideen haben, anders als die meisten anderen Pflanzen, kaum Nährstoffe, mit denen sie die Keimung betreiben könnten. Die Orchideen haben das Problem gelöst, indem sie im Keimungsstadium auf dem Mycel bestimmter Pilzarten parasitieren. Die meisten Orchideen können nach der kurzen Starhilfe durch die Pilze auf weitere Lieferung von Nährstoffen verzichten, sie ernähren sich wie alle grünen Pflanzen von den durch Fotosynthese selbst erzeugten Stoffen. Die chlorophyllose Nestwurz bleibt weiterhin mit dem Pilz verbunden und gewinnt Aufbau- und Betriebsstoffe dadurch, dass sie Teile des feinen Pilzgeflechtes verdaut. Im Gewebe des „Vogelnestes“, des fleischigen dichten Rhizoms“, gibt es reichlich mit Pilzhyphen infizierte Zellen. [1] [2]
[1] Xflora: 1044 (Mycotrophie); [2] WINTERSTEIN 2014 a & b

Nestwurz mit Rhizom

Bild 25: Neottia nidus-avis_11. Mai 2003_Harzberg
Die Nestwurz wird von Schnaken- [1] und anderen Zweiflüglerarten und von Ameisen [2] bestäubt, die vom Nektar, der in einer kleinen Vertiefung der Lippe bereitgestellt wird, angelockt werden. Wenn Insektenbesuch ausbleibt, kann sich die Nestwurz auch selbst bestäuben.
[1] GRIEBL: 228 [2] PRESSER: 278

Schnake auf Nestwurz

Bild 26: Neottia nidus-avis_8. Jänner 2003_Harzberg
Oft stehen zahlreiche Blühstängel nebeneiander, weil aus den einzelnen Wurzelspitzen bei ausreichender Ernährung neue Wurzelstöcke treiben können [1]. Die nach der Samenreife funktionslosen Stängel können bis weit in das nächste Jahr erhalten bleiben.
[1] [PRESSER: 278]

vertrocknete Fruchtstände der Nestwuirz


Korallenwurz / Corallorhiza trifida

Bild 27: Corallorhiza trifida_04. Mai 2003_Tribuswinkler Graben
Die Korallenwurz zählt zu den seltensten (oder am öftesten übersehenen?) Orchideen auf unserem Gemeindegebiet. Ich konnte sie bisher nur an einem einzigen Fundort im Tribuswinklergraben sehen. Sie bewohnt schattige, humusreiche Wälder und kann an solchen Standorten bei unzureichender Versorgung mit Licht überleben, weil sie den Großteil der Kohlenstoffverbindungen nicht selbst synthetisieren muss, sondern aus der Verdauung von Teilen des Pilzpartners gewinnen kann. [1] [2]
[1] WINTERSTEIN (b: 14) führt für unsere Corallorhiza trifida als Pilze Russulaceae (Familie Täublingverwandte) an. SMITH&READ (:478)geben dazu in Tab. 13.3 auf Seite 478 diese Pilze für andere (amerikanische) Korallenwurzarten an, für Corallorhiza trifida unter „Identifieed fungi“ als Ergebnis einer Untersuchung „unknown yellow, clamed Basidiomycete“, einer anderen „7 IST RFLP types, all in the Thelephora-Tomentella group“ an.
[2] „Die Korallenwurz (Corallorhiza trifida) [...] besitzt zwar keine Blätter mehr, aber immerhin noch einen grünen Stängel. Dessen Photosyntheseleistung trägt mit ca. 20 % zur Deckung des Kohlenstoffbedarfs der Korallenwurz bei. Die restlichen ca. 80 % des Kohlenstoffs stammen vom Ektomykorrhizapilz Tomentella spec. Die Korallenwurz ernährt sich somit partiell mykoheterotroph.“ (GEBAUER 2011: 34; dazu auch GEBAUER 2004!)

Koralenwurz im Buchenwald

Bild 28: Corallorhiza trifida_04. Mai 2003_Tribuswinkler Graben
Den Namen hat die Art von einem korallenförmigen Rhizom [1]: Eine Überprüfung dieses Tatbestandes durch Ausgraben sollte jedenfalls unterbleiben!
Die Korallenwurz ist auch durch ihre oberirdischen Teile unverwechselbar: Die Stängel sind dünn, höchstens 25 cm hoch (das Individuum vom Tribuswinklergraben war kaum spannenhoch), am Stängel sitzen nur Schuppenblätter, wohl ausgebildete Laubblätter fehlen. Alle Pflanzenteile sind hellgrün, nur die zungenförmige Lippe ist in auffälliger Weise weiß mit roten Flecken am Grund.
[1] http://herba.msu.ru/shipunov/belomor/foto/07coral.htm

eine einzelne Blüte der Korallenwurz


Dingel / Limodorum abortivum

Bild 29: Limodorum abortivum_13. Juni 2011_Schwarzföhrenwald zwischen Kreuzerlföhre und Zweiföhren

Der Dingel / Limodorum abortivum ist im Mittelmeerraum beheimatet, kommt aber auch auf geringen Anteilen der jeweiligen Landesflächen in Österreich [1], in der Schweiz [2], in Deutschland [3], in Belgien, in Tschechien und in Ungarn [4] vor. In Europa nördlich des submediterranen Florengebietes ist die Art überall selten und zählt auch auf Vöslauer Gemeidegebiet zu den Besonderheiten unserer Flora.
Wie sich der Name dieser Orchideengattung seit dem Altertum entwickelt hat, ist eine Aufeinanderfolge von Verwechslungen und Lesefehlern, die ihren Ursprung in einem „Haimodron“ (vermutlich keine Orchidee sondern eine Sommerwurz) bei Theophrast hat. Der Artbeiname abortivum bezieht sich auf die „vergangenen“, reduzierten Laubblätter. [5]
[1] GRIEBL: 203     [2] http://www.ageo.ch/bilder/jder/limodorum_2001_150.gif
[3] http://orchideen-kartierung.de/GERMANY/Liabort/Liab.html]    [4] FARKAS : 317    [5] SVOJTKA: 9

Dingel

Bild 30: Limodorum abortivum_22. Mai 2008_iim Schwarzföhrenwald oberhalb der Riede Oberkirchen
Die Dingelpflanzen haben nur wenig Blattgrün, zur Blütezeit sind die Tragblätter der Blüten oft grünlich-violett, zur Fruchtzeit die Früchte deutlich grün gefärbt, sonst überwiegt das charakteristische Violett. Die bescheidene Chlorophyllausstattung reicht nicht für eine ausreichende Stoffproduktion durch die Fotosynthese. Die Pflanzen können nur überleben, weil sie sich auch von Pilzfäden ernähren:
Pilzfäden (Hyphen) eines Pilzes, der mit der Schwarzföhre in Symbiose lebt, befallen alljährlich die frisch gebildeten Wurzeln des Dingels. Die Hyphen bilden durch lebhaftes Wachstum, bei dem sie von der Föhre mit Assimilaten versorgt werden, in bestimmten Zellen der Dingelwurzeln kompakte Knäuel. Wenn diese eine bestimmte Dichte erreicht haben, wehrt sich die Orchidee dagegen, verdaut die Hyphen und nutzt die Produkte des Abbaues für den eigenen Bedarf. [VÖTH: 63]

Teil des Blütenstandes vom Dingel im Schwarzföhrenwald

Bild 31: Limodorum abortivum__links: 20. Juni 2002__Mitte: 26. Mai 2013__rechts: 16. Juni 2007__
Alle unterer Harzberg zwischen Oberkirchen und Sandberg
Am Stängel sitzen nur wenige kurze, stark reduzierte Blätter.

Blattausstattung der Dingelstängel

Bild 32: Limodorum abortivum__oben: 18. Mai 2007_oberhalb Oberkirchen__unten: 2. Juni 2005__beide oberhalb Helenenhöhe / Oberkirchen
Wenn zur Blütezeit sonniges Wetter vorherrscht, sind die Blüten meist weit geöffnet. Das Säulchen mit Narbe und Pollenfächern [1] ist auffallend kräftig aufgebaut. Dadurch können die Dingelblüten von kräftig gebauten Insekten besucht werden. Es werden einige solitär lebende Wildbienen und Hummeln als Bestäuber genannt [2] . Ich selbst habe noch nie Insektenbesuch beim Dingel beobachten können. Wenn Insektenbesuch unterbleibt, zerbröseln die Pollinien [3] und die Pollenkörner rieseln auf die Narbe: Selbstbestäubung ist dadurch vollzogen.
[1] Säulchen:  vgl. Mai 2016, Text zu Bild 02a
[2] SVOJTKA : 11   [3] Siehe Text zu Bild 02a in Mai 2016

Einzelblüten vom Dingel

Bild 33: Limodorum abortivum_Die drei Bilder zeigen immer die beiden selben Pflanzen am Rande des Sonnenweges .

Es hängt von den Witterungsbedingungen ab, ob sich die Blüten weit öffnen oder mehr oder weniger geschlossen bleiben. Fallen Insekten als Bestäuber aus, kommt es zur Selbstbefruchtung mit gutem Fruchtansatz.
Die Temperaturen waren im Mai 2016 um etwa 10°C niedriger als im langjährigen Durchschnitt [1], die Niederschlagswerte (und somit wohl auch die Bewölkung) um mehr als das Doppelte höher.[2]
Auf andere Arten hat sich diese Wettersituation sehr positiv ausgewirkt: So konnten heuer seit langem wieder zahlreiche blühende Pflanzen der Bienen-Ragwurz beobachtet werden.
[1] http://www.accuweather.com/de/at/vienna/31868/may-weather/31868
[2] https://www.wien.gv.at/statistik/lebensraum/tabellen/niederschlag.html

zwei Dingelpflanzen vor, während und nach der Blüte

Bild 34: Limodorum abortivum_4. Juni 2010_Hüterriegel
Auch in Halbtrockenrasen blüht immer wieder einmal ein Dingel.

Dingel im Trockenrasen

Bild 31: Limodorum abortivum_2. Juni 2002_Lichtung im Schwarzföhrenwald nahe beim Wilden Ofen

Blütenstand vom Dingel


Siehe auch Orchideen 1
Weitere Orchideen folgen zu einem späteren Zeitpunkt.