März 2017

Acker-Mannsschild / Androsace maxima &
Nordisch-Mannsschild / Androsace septentrionalis (ab Bild 14)

Bild 01: Androsace maxima_Rosskopfwiesen_03. April 2004
Diese „Schönheit unter den Ackerwildkräutern“ [1] finden wir nur an wenigen wechselnden Fundorten, selten mehrere Jahre an derselben Stelle. Die Angabe, dass der Acker-Mannsschild / Androsace maxima selten vorkommt [2] bezieht sich darauf, dass diese Art auf geeigneten Standorten, das sind steinige Äcker, steindurchsetzte Erdhaufen, Brachen auf Schotterböden und offene Stellen in trockenen Böschungen, nur an wenigen Stellen auftritt. Dort kann der Acker-Mannsschild aber bisweilen in sehr großer Individuenzahl blühen.
[1] Öko Flora NÖ 1: 180     [2] Xflora 2008: 683
Acker.-

Bild 02: Androsace maxima_Rosskopfwiesen_03. April 2004
Von den weltweit etwa 150 Arten des Mannschildes leben in Europa 24 Arten, davon in Österreich elf. Acht davon sind mehrjährige Pflanzen der subalpinen bis alpinen Höhenstufe, drei – wie der Acker-Mannsschild -  einjährige Arten niederer Lagen. [1]
„ Wegen des unscheinbaren Aussehens und des verhältnismäßig seltenen Vorkommens haben die [Mannsschild-]Arten nur wenige Volksnamen“ [2] . Für den gesamten deutschen Sprachraum ist nur aus Brunn a. Geb. für den Acker-Mannsschild „Kolerakraut“ überliefert, weil „wohl zur Zeit einer Choleraepidmie angepriesen“ [3]. Tabernaemontanus  beschreibt seine Heilwirkung: „daß es die Bauchflüß stelle/aber den Harn treibe es fort,“ [4], also choleraähnliche Erscheinungen beheben kann.[5]
[1] Xflora : 683f      [2] MARZELL 1: 267     [3] HÖFER & KRONFELD: 92; MARZELL 1: 268
[4] TABERNAEMONTANUS 1731: 1202 & 1203    Allerdings gibt Tabernaemontanus für das „erste geschlecht Mansharnisch“ die Heilwirkung an, nicht für das „zweite“, dessen Abbildung zweifelsfrei Androsace maxima darstellt     [5] MARZELL 1: 268

einige Pflanzen vom Acker-Mannsschild knapp vor der Blüte

Bild 03: Androsace maxima_Riegeläckerr_31. März 2004
Mannsschild ist ein Kunstname, der sich aus der antiken Bezeichnung androsakes  (für aner, Gen: andros = der Mann und sakos = der Schild) ableitet. Die antiken Schriftseller verstanden darunter aber einen Meeresorganismus, wahrscheinlich keine Pflanze, sondern einen Hydroidpolypen oder eine Qualle. Von den alten Botanikern des 16. Jahrhunderts (Matthioli, Tabernaemontanus [1] ) wurde der Name auf die Pflanzengattung übertragen, weil einige Mannsschildarten der subalpinen und alpinen Zone feste, schildartige Polster ausbilden [2]. Unser Acker-Mannsschild ist aber ein  zartes Pflänzchen [3]. Die Bearbeiter des Kräuterbuches von TABERNAEMONTANUS schreiben (von Clusius ab?), dass man es „in Oesterreich um Wien und Baden in Kornfeldern“ findet.
[1] TABERNAEMONTANUS 1731: 1202 & 1203; vg.l Text bei Bild 16  

[2] GENAUST: 62. Und: Siehe wikipedia: Mannsschild
[3] wie zwei weitere in Österreich vorkommende Arten: A. elongata nicht in unserer Region; A. septentrionalis: dieser ab Bild 14


ein Acker-Mannsschild vor der Blüte, Standort Riegeläcker

Bild 04: Androsace maxima_Rosskopfwiesen_30. März 2004
Der Acker-Mannnsschild blüht meist im April, selten schon im März.
Acker-Mannsschild in Blüte

Bild 05: Androsace maxima_Riegeläcker_21. April 2004
Nach wenigen Wochen Blütezeit fällt die Blütenkrone ab und aus dem Fruchtknoten beginnt sich eine Kapsel zu entwickeln.
Acker-Mannsschild mit beginnender Fruchtausbildung


Bild 06: Androsace maxima_Riegeläcker_21. April 2004
Acker-Mannsschild nach der Blüte

Bild 07: Androsace maxima_Ackerbrache nahe dem Flugplatz_25. Juni 2011
Bis zum Juni sind die Kapseln reif, öffnen sich und geben die Samen frei.
geöffnete Kapseln des Acker-Mannsschildes

Bild 08: Androsace maxima_Ackerrand nahe der Remise_27. Februar 2016
Durch reichliche Samenproduktion können im schon im folgenden Winter junge Pflanzen des Acker-Mannsschildes den Boden lückenlos bedecken.
dicht stehende Jungpflanzen des Acker-Mannsschildes

Bild 09: Androsace maxima_"Heideäcker"_05. August 2015
Am Rande eines seit 2015 brach liegenden Feldes zeugen zahlreiche vertrocknete Stängel und Kapseln von einer dichten und individuenreichen Population des Acker-Mannsschildes.
vertrocknete Fruchtstände vom Acker.Mannsschild, Standortfoto

Bild 10: Androsace maxima_"Heideäcker"_11. März 2017
Im Frühjahr 2017 konnte ich auf dieser Fläche nur mehr eine einzige Pflanze entdecken. Der Acker-Mannsschild ist offenbar sehr konkurrenzschwach und wurde von den Gräsern, die sich seit 2015 in diesem nun brach liegenden Acker entwickelt hatten, schwer beeinträchtigt. Offene Böden sind Voraussetzung für sein Fortkommen. Steinige Äcker, Böschungen mit lückiger Pflanzendecke, Erdhaufen oder - wie im folgenden Bild -steinige Ruderalstellen sind geeignete Standorte für den Acker-Mannsschild.
einzelne Pflanze des Acker-Mannsschildes vor Blühbeginn

Bild 11: Androsace maxima_Schotterfläche nahe beim Flugplatz_21. Juni 2004
Die Botaniker des 16. Jahrhunderts schreiben, dass man  "Androsace Matthioli II."  (= "II.  Mansharnisch II." ) [1a] oder „Androsace altera Matthioli“[1b]  „in Oesterreich um Wien und Baden in Kornfeldern“ findet [1]. Bemerkenswert ist, dass TABERNAEMONTANUS in der 1. Auflage seines „Neuw Kreuterbuch“ 1588  Androsace noch nicht nennt [2]. Erst in der vierten, durch Kaspar und Hieronymus BAUHIN u.a. verbesserten und ergänzten Auflage von 1731  wird unser Acker-Mannsschild als bei „Mathiolo kürzlich beschrieben“ und “ II. Mansharnisch“ genannt und abgebildet [3]. Alle Autoren dieses Kräuterbuches scheinen diese Art aber nie selbst gesehen zu haben. CLUSIUS teilt mit (ohne eine Quelle zu nennen), dass Matthiolus die Pflanzen von einem Freund aus Syrien bekommen hat. Er wundert sich darüber, weil diese Art („Androsace altera Mathioli“) auf Feldern um Baden und auf Fundorten um Wien reichlich vorkommt, wie er aus eigener Anschauung feststellen konnte. Er berichtet auch, dass er keinen gebräuchlichen Namen erfahren konnte, da die Bauern Pflanzen, die nicht irgendwie von Bedeutung sind, nicht beachten [4]. Aber auch L. FUCHS führt die Art in seinem New Kreüterbuch 1543 nicht an [5].

Das Fehlen dieser Art in den meisten Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts und die Betonung unserer Gegend (nur bei CLUSIUS bzw. von ihm übernommen) ist wohl ein Hinweis, dass auch damals zwischen den Fundorten große Lücken bestanden haben, wenn auch auf manchen Stellen ein Massenvorkommen des Acker-Mannsschildes (Androsace altera Mathioli). beobachtet werden konnte.
Tatsächlich erstreckt sich das Areal des Acker-Mannsschildes von der Mongolei bis auf die Iberische Halbinsel [6]. Er besiedelt in den eurasischen Steppen offene Stellen [7]. Solche Habitate werden in Europa durch die Bearbeitung mancher Äcker m. o. w. regelmäßig frei gehalten oder vorübergehend durch Ablagerung von Erde, Sand oder feinem Schotter geschaffen.
[1a] TABERNAEMONTANUS 1731: 1202 & 1203   [1b] Clusius 1601 Lib. 5: 135

[2] TABERNAEMONTANUS 1588: 18 (Index latinus)
[3] TABERNAEMONTANUS 1731: 1202 & 1203
[4] Clusius 1601 Lib. 5: 135 = http://caliban.mpipz.mpg.de/ecluse/high/IMG_3956.html]

[5] FUCHS Kreuterbuch
[6] MEUSEL II. K 342d
[7] → Virtual Guide to the flora of Mongolia
Acker-Mannsschild in einer schottrigen Ruderalfläche

Bild 12: Androsace maxima_Garten, kultiviert_25. März 2015
Heuer blühten aus Samen gezogene Pflanzen des Acker-Mannsschildes schon im März.
Acker-Mannsschild im Topf kultiviert

Bild 13: Androsace maxima_Rosskopfwiesen_30. März 2004 (großes Bild) & 3. April 2044 (kleines Bild)
Der Acker-Mannsschild ist konkurrenzschwach: Schon 2005 war an dieser Stelle keine einzige Pflanze dieser Art zu finden.
Acker-Mannsschild auf einem Erd-Schotter-Haufen

Nordisch-Mannsschild / Androsace septentrionalis

Bild 14: Androsace septentrionalis_Hinterer (Soosser) Lindkogel [*]_26. April 2015
[*] KOMPASS Wander-Radtouren-Skitouren- und Langlaufkarte 209, Wienerwald 1: 35 000 (o.J ca 2000?)

Wenige Meter jenseits der Gemeindegrenze auf dem Boden der Gemeinde Alland auf dem Hinteren (Soosser) Lindkogel befindet sich einer der beiden Fundorte [1] einer weiteren in Österreich vorkommenden Mannsschildart, des Nordischen Mannsschilde / Androsace septentrionalis:
Das Areal dieser Art reicht weiter nach Norden und nimmt auch Teile des nördlichen Nordamerika ein [2], kommt aber überall nur selten bis zerstreut vor. [3][4]
[1] Der zweite liegt im Ötztal in Tirol            [2] MEUSEL II: 342b
[3] MEUSEL II T:345 „ Subruderale Steppenannuelle mit sehr zerstreuten Vorkommen, auch innerhalb der gerasterten Gebiete nicht häufig. Hauptverbreitung im Waldsteppengebiet von da in kontinentale Tundren- und Hochgebirgslandschaft ausstrahlend. In Zentraleuropa im Rückgang.“
[4 ] Z.B. Verbreitungskarte Schweiz; Verbreitungskarte Deutschland; fehlt in den Niederlanden und in  Ungarn [KIRALY: 341; JAVORKA&CSAPODY: 391]
Ein Nordisch-Mannsschild in voller Blüte

Bild 15: oben Androsace maxima: li: Riegeläcker[*]_21.April 2004 re: 3. April 2017_kultiviert aus Samen von den "Haideäckern" [**]__unten: Androsace septentrionalis_Hinterer [***](Sooosser) Lindkogel_li: 01. Mai 2004_re: 27. April 2003 
[*]zwischen Wasserleitung und Autobahn, [**] östlich der Autobahn [ Franziszeischer Grundkataster (1819), Montage im Clubzimmer im Rathaus]_[***] KOMPASS Wander-Radtouren-Skitouren- und Langlaufkarte 209, Wienerwald 1: 35 000 (o.J ca 2000?)
D = Deckblätter_ K = Kelchblätter

Nach der Ausbreitung bis in die nördlichsten Bereiche Eurasiens und Nordamerikas ist diese Art zu recht Nordischer Mannsschild / Androsace septentrionalis [1] benannt worden. Er ist aber nicht , wie man vermuten könnte, kleiner als Androsace maxima / der Große ( Größte , Riesen-) Mannsschild, sondern übertrifft diesen an Wuchshöhe deutlich. Er wird meist etwa 15 bis 20cm hoch, während der “Größte“ Mannsschild selten die Dezimetermarke überragt.
Die Deckblätter [2] sind beim Acker-Mannsschild /Androsace maxima wie Laubblätter ausgebildet und zur Anthese (Blütezeit) so lang wie oder länger als die Blütenstiele, nach der Blüte strecken sich die Blüten- bzw. Fruchtstiele etwas  über die Deckblätter hinaus. Beim Nordischen Mannsschild / Androsace septentrionalis  sind die Brakteen [3] kleine unscheinbare, schmale, nur wenige Millimeter lange Blätter, die schon zur Blütezeit von den Blütenstielen um ein Vielfaches ihrer Länge überragt werden.
Die Kelchblätter sind bei Androsace maxima auffallend groß, deshalb ist als weiterer Büchername neben Acker-Mannsschild auch Riesenkelch-Mannsschild zutreffend [4] .

[1] septentrionalis (lat. septem-triones = »die sieben Dreschochsen«, das Siebengestirn, großer Bär; septemtrio, -onis = Norden), nördlich, nordisch“ [SCHUBERT & WAGNER: 468]
[2] das sind die Blätter, an deren Basis die Blütenstiele entspringen (D)
[3] = Deckblätter
[4] Xflora 2008: 683
Blüten von den Acker-Mannsschild und Nordisch-Mannsschild im Vergleich



Bild 16: Androsace maxima_nahe beim Flugplatz_25. Juni 2011
Beim Riesenkelch-Mannsschild  sind die Blüten-bzw. Fruchtstiele zuletzt auch etwas, aber nur wenig  länger als die Deckblätter.
Ackermannsschild: vertrocknete Stängel mit Kapseln



Bild 17: Androsace septentrionalis_Hinterer (Soosser) Lindkogel [*]_04. Mai 2003
[*] KOMPASS Wander-Radtouren-Skitouren- und Langlaufkarte 209, Wienerwald 1: 35 000 (o.J ca 2000?)

Der Nordische Mannnschild blüht in den letzten beiden April- und den ersten beiden Maiwochen.
Nordisch-Mannschild am Hinteren Soosser Lindkogel, gegen den schneeberg

Bild 18: Androsace septentrionalis_Hinterer (Soosser) Lindkogel [*]_9. Juni 2003
[*] KOMPASS Wander-Radtouren-Skitouren- und Langlaufkarte 209, Wienerwald 1: 35 000 (o.J ca 2000?)

Einen Monat später sind die Kapseln reif, öffnen sich mit jeweils fünf Klappen und streuen die Samen aus.
reigfe Kapselfrüchte des Nordisch-Mannschildes


Bild 19: Androsace septentrionalis_Hinterer (Soosser) Lindkogel [*]_4. Mai 2008
[*] KOMPASS Wander-Radtouren-Skitouren- und Langlaufkarte 209, Wienerwald 1: 35 000 (o.J ca 2000?)

Schon während der Blüte beginnen die Rosettenblätter abzusterben.
Blühender Nordisch-Mannschild mit absterbender Grundblattrosette

Bild 20: Androsace septentrionalis_Hinterer (Soosser) Lindkogel [*]
[*] KOMPASS Wander-Radtouren-Skitouren- und Langlaufkarte 209, Wienerwald 1: 35 000 (o.J ca 2000?)

Die Blattrosetten überwintern.Rostten vom  Sommer und Herbst 2016 und Frühjahr 2017

Bild 21: Androsace septentrionalis_Hinterer (Soosser) Lindkogel [*]_10. April 2017
[*] KOMPASS Wander-Radtouren-Skitouren- und Langlaufkarte 209, Wienerwald 1: 35 000 (o.J ca 2000?)

Jede der etwa 35 Rosetten hat einen zentralen bis 25 cm hohen Schaft mit einer abschließenden Blütendolde und wenige bis zahlreiche kürzere derartige Teilblütenstände entwickelt. (Gleichzeitig blühen die Zypressen-Wolfsmilch / Euphorbia cyoparissias und das Berg-Täschelkraut /Noccaea monatan (Thlaspi montanum)

blühende Pflanzen des Nordisch-Mannsschildes