Mai 2022

Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Bad Vöslau, Gainfarn und Großau!

50 Jahre Gemeindezusammenlegung
Im Jahr 1972 wurden die 3 eigenständigen Gemeinden Bad Vöslau, Gainfarn und Großau zu einer Stadt zusammengelegt. Im Rathaus gibt es dazu eine kleine Ausstellung, die man zu den Parteienverkehrszeiten bis 27. Mai 2022 besichtigen kann. Darüber hinaus haben wir am 29. April im Rahmen einer kleinen Feier ein Denkmal vor dem Rathaus enthüllt. Eingemauert und auch in den Archiven des Rathauses hinterlegt wurden Briefe von Jugendlichen der Sportmittelschule Bad Vöslau und des Gymnasiums in Gainfarn, die sie an sich selber in 50 Jahren schrieben. Geplant ist, den Schülerinnen und Schülern in 50 Jahren ihre Briefe wieder zurückzugeben.

Jubiläum Gruppe (Foto: Johann Ployer)
(Foto: Johann Ployer)

Ich habe die Ereignisse und Geschichte unserer drei Ortsteile im Rahmen des Festaktes in einer kurzen Ansprache zusammengefasst: 

„Vöslau, Gainfarn und Großau waren über Jahrhunderte – wie alle Kommunen der Habsburgermonarchie – „Grundherrschaften“. Es gab keine Eigenständigkeit und keine Wahlen. Nach der Revolution im Jahr 1848 erhielt die Habsburgermonarchie eine Verfassung. So wurden auf Grund eines Gesetzesbeschlusses 1849 aus den „Herrschaften“ selbständige Gemeinden. Die ersten Wahlen fanden im Jahr 1850 statt. Im Ständestaat von 1934 bis 1938 wurden die Bürgermeister durch den Staat eingesetzt. 1938 – nach dem Anschluss an Deutschland - wurden die Gemeinden erstmals zwangsweise zusammengelegt und nach dem Krieg wiederum drei selbstständige Gemeinden.

Es folgte die „NÖ Kommunalstrukturverbesserung“. Dies war eine landesweite Gebietsreform in den Jahren 1965 bis 1972, die auf die Zusammenlegung von Klein- zu Großgemeinden abzielte. Innerhalb weniger Jahre wurde so die Zahl der Kommunen in NÖ von 1.652 auf 559 reduziert. Zuerst versuchte man es noch freiwillig.  In den Gemeinderäten wurde abgestimmt. Bei uns auch – es war überall einstimmig: Bad Vöslau war einstimmig dafür - Gainfarn, Großau und auch einbezogen Kottingbrunn waren einstimmig dagegen.

Der Freiwilligkeit folgte der Zwang: 1971 trat das „NÖ Kommunalstrukturverbesserungsgesetz“ in Kraft. Darin wurde unter anderem auch die Vereinigung der Gemeinden Bad Vöslau, Gainfarn und Großau mit Wirkung vom 1.1.1972 gesetzlich geregelt. Die Wahl eines ersten gemeinsamen Gemeinderates fand am 19. März 1972 statt.

Verständlicherweise war man gegenüber der Vereinigung anfangs eher skeptisch bis ablehnend eingestellt. „Der Lokalpatriotismus wurde sehr hochgehalten“. Denn was passierte: Zusammengeführt wurden eine industriell geprägte und dominierende Stadt mit 6.200 Einwohnern, eine ländliche, gut gestellte Gemeinde mit 3.330 Einwohnern   und schließlich das landwirtschaftlich geprägte und traditionell gewachsene Großau mit rd. 500 Bürgerinnen und Bürgern. 10.000 Menschen wurde Zusammengehörigkeit gesetzlich auferlegt.

Vieles ist seither natürlich zusammengewachsen und hat sich tatsächlich gemeinsam gefunden. Manches ist immer noch eigenständig und ortsbezogen geblieben.

Rund um Weihnachten und an Fest- und Feiertagen kann dies für einen Bürgermeister eine Herausforderung sein: 3 kath. Kirchen, 3 Feuerwehren, die Friedhofsbesuche und Kranzniederlegungen in den 3 Ortsteilen....  Es hat aber auch große Vorteile, da man auf die vielen Kräfte in den Organisationen und Vereinen, sowie die immer noch bestehenden besonderen und signifikanten Werte in den drei Ortsteilen zurückgreifen kann.  Dies ergibt eine starke Einheit, die als drittgrößte Stadt im Bezirk viele Aufgaben souverän und sogar führend übernimmt.

Es gibt aus der Zeit der Zusammenführung nur sehr wenige Akten und Unterlagen - aus Gainfarn oder Großau leider besonders wenig. Interessante Funde gibt es dennoch.

Ich habe eingangs über die Habsburgermonarchie gesprochen. Eine der vielen Gemeinsamkeiten, die alle drei Orte verband und sich mehrmals in der Historie unsere Stadt findet. Ein kleines Beispiel darf ich in diesem Zusammenhang einflechten. Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, wie wichtig es ist, Geschichte zu bewahren und zu dokumentieren. Die Geschichte könnte lauten: „Wie man einen Ehrenbürger erbt“.  Es handelt sich um Otto von Habsburg.

2007 habe ich Otto Habsburg einen Dankes- und Einladungs-Brief geschrieben, da er in einem großen Interview erzählte, dass er im zweiten Weltkrieg von Amerika aus die Bombardierung der Kammgarnfabrik in Vöslau verhindern konnte. Der Ortsteil Vöslau wäre damit, wie andere industriell geprägte Gemeinden, dem Erdboden gleich gemacht worden. Wir waren in Folge in Brief-Kontakt und haben ein Treffen in Bad Vöslau vereinbart. Leider kam es trotz mehrerer Anläufe nicht mehr dazu.

Vor einigen Tagen habe ich nun erfahren, dass die heutige Hauptstraße in Gainfarn im Sept. 1935 zur Otto von Habsburg-Straße ernannt worden war und bin mit der Hilfe von Gerhard Baumgartner der Geschichte weiter nachgegangen. Es war dies die erste Otto von Habsburgstraße in ganz Österreich (belegt durch die Salzburger Chronik für Stadt und Land). In der Kleinen Volkszeitung vom 7. August ist auch zu lesen, dass ein Proponenten-Komitee der Bürgermeister von Wr. Neustadt, Villach, Eisenstadt, Amstetten und Gainfarn (!) gebildet wurde, um durch die Zusammenfassung aller Gemeinden, die Otto von Habsburg zum Ehrenbürger ernannt hatten, einen Kaisergemeinden-Verband zu gründen. Darüber hinaus ist auch im Großauer Gemeinderatsprotokoll vom 2. Sept. 1937 zu lesen (die Gainfarner Protokolle aus dieser Zeit sind leider verschollen), dass er einstimmig zum Ehrenbürger von Großau gewählt wurde. Bis vor 3 Wochen hat das wohl kaum jemand gewusst und wir müssen einen „geerbten Ehrenbürger“ in den Büchern unserer Stadt nachführen.

Dieser kleine Exkurs soll zeigen, wie bedeutend es ist, sich mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen und Anlässe, wie den heutigen zu nutzen.

Unsere Stadt profitiert aber sicher nicht nur aus der Vergangenheit, sondern gerade heute durch gemeinsame Stärke - begründet durch die Merkmale und tatsächlich gelebten Werte der drei Ortsteile. Ich bin daher fest überzeugt, dass wir auch weiterhin erfolgreich und gemeinsam die Zukunft gestalten werden.

Das heute vorgestellte Denkmal wurde aus signifikanten Materialien der drei Ortsteile geformt.  Es beschreibt das Zusammenwachsen in den letzten 50 Jahren.  Metallteile der Kammgarnfabrik Bad Vöslau, ein Pressstein einer Gainfarner Weinpresse und ein Kupferkessel einer Großauer Weingartenspritze wurden zu einem Objekt zusammengeführt. Der Pflasterstein-Sockel symbolisiert dabei den Weg, der gemeinsam beschritten wurde. Ich danke allen, die mit Idee und Tatkraft bei der Umsetzung mitgewirkt haben.

Vor allem danke ich aber jenen, die in den letzten 50 Jahren das Gemeinsame vor das Trennende gestellt haben ohne dabei das Besondere in Vöslau, Gainfarn und Großau zu übersehen.“

Jubiläum Chor (Foto: Johann Ployer)
(Foto: Johann Ployer)

Sonderausstellung im Stadtmuseum Bad Vöslau
Nach den Einschränkungen aufgrund der Corona Maßnahmen öffnet nun auch das Stadtmuseum wieder seine Pforten mit einer neuen Sonderausstellung und gibt „Einblicke in Vöslauer Villen“. Manche beeindrucken nicht nur durch ihre wundervolle Fassade; sie wecken darüber hinaus das Interesse mehr über deren damalige Besitzer zu erfahren. Dabei treten bei den 16 vorgestellten Villen auch tragische Geschichten zu Tage, die das Schicksal der Menschen vergangener Zeiten widerspiegeln.
www.stadtmuseumbadvoeslau.at

Ich hoffe, dass wir die geplanten Veranstaltungen und Vorhaben der Stadtgemeinde, der Vereine und Organisationen heuer tatsächlich alle durchführen können. Es würde mich sehr freuen, wenn wir uns in einem unserer drei wunderschönen Ortsteile wieder persönlich treffen.

Ihr Christoph Prinz
Bürgermeister