August 2012

Die Heuschreckenfauna von Bad Vöslau 1. Teil

Bild 01: Larve der  Steppen-Sattelschrecke Ephippiger ephippiger

Larve der Steppen-Sattelschrecke Ephippiger ephippiger

 


Unterschiedliche Qualitäten der Standorte sind die Grundlage für den Reichtum an Pflanzenarten auf dem Vöslauer Gemeindegebiet. Auch jede Tierart ist in ihrer Existenz von ganz bestimmten Eigenheiten ihres Lebensraumes abhängig. Am Beispiel der Heuschreckenfauna wird gezeigt, wie sich als Folge der Biotopvielfalt eine beachtliche Zahl verschiedener Arten etablieren konnte.


Der Autor dieser Seite dankt dem exzellenten Kenner der heimischen Heuschreckenfauna Alexander Panrok für die Bereitschaft, das Ergebnis seiner intensiven Feldforschung auf unserem Gemeindegebiet hier zu veröffentlichen.                  

Rupert Stingl


Bild 02: Blauflügelige Ödlandschrecke Oedipoda caerulescens

Blauflügelige Ödlandschrecke Oedipoda caerulescens

 

DIE HEUSCHRECKENFAUNA VON BAD VÖSLAU

Text + Fotos ©: Alexander Panrok (Stand: 10.7. 2012)

Bad Vöslau als Lebensraum für Heuschrecken

 

Heuschrecken begleiten uns mit ihren Gesängen durch die Frühlings- und Sommermonate hindurch,  teilweise sogar bis in den Spätherbst, und zählen durch ihre akustische Fähigkeit zu den auffälligsten Insekten überhaupt.

Von den weltweit rund 20.000 bekannten Arten kommen in Österreich nur etwa 130 vor, von denen ein Großteil im pannonischen Osten des Landes lebt. Hier sind die klimatischen sowie lebensraumbedingten Voraussetzungen für viele, vor allem wärmeliebende, Arten am günstigsten. Der zentrale Lebensbereich der Heuschreckenfauna betrifft vorwiegend das Offenland und umfasst hier eine reichhaltige Auswahl an unterschiedlichsten Lebensraumtypen. Diese reichen von Ackerrainen über Brachen, Uferböschungen, Mähwiesen, Feuchtwiesen, Trockenrasen bis zu Waldsäumen.

 

Bild 03: Wiese am Wasserleitungsdamm und Brache südlich von Gainfarn: Trockene Wiesen und Böschungen, die regelmäßig gemäht werden, und mehrjährige Brachen sind Heuschreckenbiotope. Auf diesen Flächen finden sich u.a. Breitstirnige Plumpschrecke Isophya costata, Kleine Beißschrecke Platycleis veyseli, Warzenbeißer Decticus verrucivorus sowie Feldgrille Gryllus campestris und Weinhähnchen Oecanthus pellucens.
Diese und weitere Arten werden weiter unten in Bild und Text vorgestellt.
Diese Arten sind vor allem durch den Umbruch langjähriger Brachflächen und Wiesen zwecks Nutzungsänderung (Ackerbau, Weinbau oder Siedlungserweiterung) gefährdet. Bereits die Erhaltung von kleinräumigen Randbereichen könnte vielen Arten den Lebensraum bzw. das Überleben sichern.

Bildtext #03#: Trockene Wiesen & Brachen (Wiese am Wasserleitungsdamm und Brache südlich von Gainfarn) Wiesen und Böschungen, die regelmäßig gemäht werden, und mehrjährige Brachen sind Heuschreckenbiotope. Auf diesen Flächen finden sich u.a. die Breitstirnige Plumpschrecke Isophya costata, die Kleine Beißschrecke Platycleis veyseli, der Warzenbeißer Decticus verrucivorus sowie die Feldgrille Gryllus campestris und das Weinhähnchen Oecanthus pellucens. Die Hauptgefahr besteht im Umbruch langjähriger Brachflächen und Wiesen zwecks Nutzungsänderung (Ackerbau, Weinbau oder Siedlungserweiterung). Bereits die Erhaltung von kleinräumigen Randbereichen könnte vielen Arten den Lebensraum bzw. das Überleben sichern.

 

Geschlossene Wälder werden nur von ganz wenigen Arten besiedelt bzw. von den meisten Arten sogar strikt gemieden, da diese Flächen meist zu wenig Licht bieten. Ausnahmen dabei sind lichtdurchlässige Schwarzkiefernwälder mit vielen offenen Stellen in trockenen Hanglagen. Sobald innerhalb der Wälder größere Lichtungen vorhanden sind oder neu entstehen, werden diese von einigen Heuschreckenarten meist relativ rasch neu besiedelt. Auch gut besonnte Waldwege und Forststraßen bieten „im Wald" geeignete Lebensräume. Einige Arten finden auch im Siedlungsgebiet und in Gärten passende Lebensräume und sollten hier keinesfalls als „Schädlinge" bekämpft werden, da zum Nahrungsspektrum einiger Arten auch Insekten wie Blattläuse zählen, und sie somit auch im menschlichen Sinn durchaus als „Nützlinge" zu betrachten sind.


Bild 04: Waldlebensräume können von Heuschrecken nur dann besiedelt werden, wenn offene Abschnitte vorhanden sind wie entlang von breiteren besonnten Waldwegen und wie in Lücken von autochtonen Schwarzföhrenwäldern auf Steilhängen. Hier finden sich u.a.  Gewöhnliche Gebirgsschrecke Podisma pedestris,  Bunter Alpengrashüpfer Stenobothrus rubicundulus und  Steppengrashüpfer Chorthippus vagans.

Bildtext #04#: Waldlebensräume können von Heuschrecken nur dann besiedelt werden, wenn offene Abschnitte vorhanden sind wie entlang von breiteren besonnten Waldwegen und wie in Lücken von autochtonen Schwarzföhrenwäldern auf Steilhängen. Hier finden sich u.a. die Gewöhnliche Gebirgsschrecke Podisma pedestris, der Bunte Alpengrashüpfer Stenobothrus rubicundulus und der Steppengrashüpfer Chorthippus vagans.

Innerhalb der Gemeindefläche von Bad Vöslau kommen derzeit (Stand: 26.08.2012) 60 Arten (61 mit der Gottesanbeterin) vor. Diese beträchtliche Artenzahl hängt vor allem damit zusammen, dass die Thermenlinie eine Schnittstelle zwischen alpin-montanen und pannonischen sowie teilweise auch illyrischen Klima- und Lebensraumzonen ist und damit eine besondere Grundlage für die große Artenvielfalt (hinsichtlich ihrer gesamten Fauna und Flora) darstellt - vereinfacht gesagt stellt sie den Übergang von den Alpen zur Steppe dar. 

Diese besondere Gunstlage von Bad Vöslau kann von den Arten aber nur genutzt werden, wenn geeignete Habitattypen zur Verfügung stehen:

 

Bild 05: Intakte Feuchtwiesen sind im Gemeindegebiet kaum noch vorhanden - in diesem Fall handelt es sich um ein Relikt entlang des Aubaches mit Beständen des Weißrandigen Grashüpfers Chorthippus albomarginatus und des Sumpfgrashüpfers Chorthippus montanus.
Die letzten dieser Flächen sollten unbedingt erhalten bleiben!

Bildtext#05#: Intakte Feuchtwiesen sind im Gemeindegebiet kaum noch vorhanden - in diesem Fall handelt es sich um ein Relikt entlang des Aubaches mit Beständen des Weißrandigen Grashüpfers Chorthippus albomarginatus und des Sumpfgrashüpfers Chorthippus montanus. Die letzten dieser Flächen sollten unbedingt erhalten bleiben!

 

Im Lauf der letzten Jahrzehnte sind einige Heuschreckenarten aus dem Gebiet verschwunden, was mit der extremen Veränderung der verfügbaren Lebensräume zusammenhängt. Vor allem Feucht- und Trockenstandorte wurden seit den 1960er Jahren flächig stark auf Kleinstflächen reduziert oder (durch Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen, Wald oder Siedlungsgebiet) überhaupt komplett zerstört .

 

Bild 06:  Bereiche entlang des Aubaches mit höherem krautigen Bewuchs und einzelnen Sträuchern bieten Lebensraum für die Langflügelige Schwertschrecke Conocephalus fuscus und Roesels Beißschrecke Metrioptera roeselii.

Bereiche entlang des Aubaches mit höherem krautigen Bewuchs und einzelnen Sträuchern bieten Lebensraum für die Langflügelige Schwertschrecke Conocephalus fuscus und Roesels Beißschrecke Metrioptera roeselii.

Bild 07:  Eine Lebensraumrarität: Die Verlandungszone beim Zulauf in den Teich in der Remise beherbergt ein Kleinvorkommen von Bolivars Dornschrecke Tetrix bolivari, die hier gemeinsam mit der Säbeldornschrecke Tetrix subulata auf den feuchten Schlammflächen lebt. Tetrix bolivari konnte als verschollen geglaubte Art nach intensivem Nachsuchen hier wieder festgestellt werden. Der Ist-Zustand dieser Fläche sollte unbedingt beibehalten werden!

Bildtext #07#: Eine Lebensraumrarität: Die Verlandungszone beim Zulauf in den Teich in der Remise beherbergt ein Kleinvorkommen von Bolivars Dornschrecke Tetrix bolivari, die hier gemeinsam mit der Säbeldornschrecke Tetrix subulata auf den feuchten Schlammflächen lebt. (Tetrix bolivari konnte als verschollen geglaubte Art nach intensivem Nachsuchen wieder festgestellt werden) Der Ist-Zustand dieser Fläche sollte unbedingt beibehalten werden.

Leider sind zahlreiche Flächen, die durch Mahd oder Beweidung offen gehalten wurden, für immer verloren gegangen, und damit  die Lebensräume seltener Tier- und Pflanzenarten. Auch wenn kleine Bereiche dieser Flächen erhalten geblieben sind, waren sie für einige Arten als Lebensraum einfach zu klein geworden, um in stabilen Populationen hier weiter überleben zu können.
Allerdings wurde das Gebiet von der einen oder anderen Art wieder neu besiedelt (z.B. von der Großen Schiefkopfschrecke).  Die Wiederbesiedelung betrifft allerdings nur solche Arten, die besonders flugtauglich sind und somit relativ weite Strecken für Neubesiedelungen zurücklegen können.

 

Bild 08: Trockenrasen und Halbtrockenrasen entlang des Sonnenweges (Reisacher Berg und Oissner Berg) und auf der Leopoldshöhe. Sonnenexponierte Flächen mit wasserdurchlässigen Böden und geringer Humusauflage liegen im Gemeindegebiet hauptsächlich entlang der Waldränder. In die offene Kulturlandschaft vorgelagerte Hügel wie die Leopoldshöhe bilden die Ausnahme.
Trockenrasen: Standort für Spezialisten wie für den den Schwarzfleckigen Grashüpfer Stenobothrus nigromaculatus, der im Gemeindegebiet fast ausschließlich auf Trockenrasen lebt.
Halbtrockenrasen: Übergang zu Wiesenarten - charakteristisch sind z.B.  Zweifarbige Beißschrecke Metrioptera bicolor oder Heidegrashüpfer Stenobothrus lineatus.
Gefahren: Verfilzung der Böden, Zuwachsen mit Wald.
Aufgrund der Kleinräumigkeit sind auf diesen Flächen dringend Pflegemaßnahmen erforderlich, um die spezielle Fauna und Flora auch weiterhin erhalten zu können (Beweidung, Entfernung von Gehölzen).

Bildtext #08#: Trockenrasen/Halbtrockenrasen antlang des Sonnenweges (Reisacher Berg und Oissner Berg) und auf der Leopoldshöhe: Sonnenexponierte Flächen mit wasserdurchlässigen Böden und geringer Humusauflage liegen im Gemeindegebiet hauptsächlich entlang der Waldränder. In die offene Kulturlandschaft vorgelagerte Hügel wie die Leopoldshöhe bilden die Ausnahme. Trockenrasen: Standort für Spezialisten wie z.B. den Schwarzfleckigen Grashüpfer Stenobothrus nigromaculatus, der im Gemeindegebiet fast ausschließlich auf Trockenrasen lebt. Halbtrockenrasen: Übergang zu Wiesenarten - charakteristisch sind z.B. die Zweifarbige Beißschrecke Metrioptera bicolor oder der Heidegrashüpfer Stenobothrus lineatus. Gefahren: Verfilzung der Böden, Zuwachsen mit Wald. Aufgrund der Kleinräumigkeit sind auf diesen Flächen dringend Pflegemaßnahmen erforderlich, um die spezielle Fauna und Flora auch weiterhin erhalten zu können (Beweidung, Entfernung von Gehölzen).

 

Trockenrasen nehmen, anders als noch vor wenigen Jahrzehnten, nur einen sehr geringen Teil der Gemeindefläche ein: von 3874 ha sind es nur 9 ha (= 0,2 % der Gesamtfläche). Noch dazu sind diese meist auf viele kleine Splitterflächen verteilt und somit für viele (v.a. flugunfähige) Arten nicht mehr erreichbar. Die Waldfläche nimmt mit ca. 2224 ha hingegen 57 % der gesamten Gemeindefläche ein. Noch vor rund 40 Jahren waren Trockenrasen in deutlich größerem Ausmaß vorhanden - viele Flächen wurden damals auch noch regelmäßig beweidet. Nach langer Zeit der Nichtbeweidung wurden 2011 mit einer kleinen Schafherde erstmals wieder einige Trockenrasen (z.B. Leopoldshöhe) unter naturschutzfachlicher (auch botanischer) Begleitung temporär beweidet, um so die zunehmende Verbuschung der Flächen zu unterbinden. Seit 2010 werden alljährlich im Herbst Pflegemaßnahmen mit Freiwilligen durch den Biosphärenpark Wienerwald durchgeführt.

Als positiv sind auch die größeren Waldschläge in Bad Vöslau zu bewerten, die einer erstaunlich großen Artenzahl über Jahre einen geeigneten Lebensraum bieten. Allerdings trifft dies auf diese Flächen nur zu, so lange sie einigermaßen offen bleiben. Sobald die Flächen stark zuwachsen, verlieren sie wieder an Bedeutung, außer es entstehen in der Nähe neue Schlagflächen, die für eine Neubesiedelung in Frage kommen oder bereits vorhandenen Kleinpopulationen eine Ausbreitung ermöglichen.

 


Bild 09: Nahe Granerbrünndl und bei Merkenstein: Inmitten der Kulturlandschaft können kleine, unbewirtschaftete (bzw. regelmäßig gemähte) Randstreifen bereits zahlreichen Arten Lebensräume bieten: so leben hier Arten, die im intensivierten Kulturland kaum noch Platz finden, wie z.B.  Feldgrashüpfer Chorthippus apricarius oder  Wiesengrashüpfer Chorthippus dorsatus.

Bildtext#09#: Nahe Granerbrünndl und bei Merkenstein: Inmitten der Kulturlandschaft können kleine, unbewirtschaftete (bzw. regelmäßig gemähte) Randstreifen bereits zahlreichen Arten Lebensräume bieten: so leben hier Arten, die im intensivierten Kulturland kaum noch Platz finden, wie z.B. der Feldgrashüpfer Chorthippus apricarius oder der Wiesengrashüpfer Chorthippus dorsatus.

 

 

Bild  10: Auch Weingärten sind ein guter Lebensraum für Heuschrecken: Auf offenen Böden überwiegen Brauner Grashüpfer Chorthippus brunneus,  Blauflügelige Ödlandschrecke Oedipoda caerulescens und Italienische Schönschrecke Calliptamus italicus, während auf begrünten Flächen Arten wie  Nachtigall-Grashüpfer Chorthippus biguttulus und  Dickkopf-Grashüpfer Euchorthippus declivus vorherrschen.

Bildtext #10#: Auch Weingärten sind ein guter Lebensraum für Heuschrecken: Auf offenen Böden überwiegen der Brauner Grashüpfer Chorthippus brunneus, die Blauflügelige Ödlandschrecke Oedipoda caerulescens und die Italienische Schönschrecke Calliptamus italicus, während auf begrünten Flächen Arten wie der Nachtigall-Grashüpfer Chorthippus biguttulus und der Dickkopf-Grashüpfer Euchorthippus declivus vorherrschen.



Bild 11:  Die Vöslauer Steinbrüche sind in die Waldlandschaft eingesprengte, großflächige Sonderstandorte in der Nähe der Agrarlandschaft. Auf diesen bemerkenswerten Flächen hat sich über Jahrzehnte ein eigenes Artenspektrum gebildet, das sowohl Arten aus der Kulturlandschaft als auch solche der Trockenrasen beherbergen kann.
Unter anderem hat hier die Steppen-Sattelschrecke Ephippiger ephippiger ein ausgedehntes Vorkommen. Auf den kargen Bodenflächen sind Italienische Schönschrecke Calliptmus italicus und Blauflügelige Ödlandschrecke Oedipoda caerulescens häufig zu finden.
Sobald die offenen Flächen zu sehr wieder von Bäumen besetzt werden, verschwindet auch ein Teil der Fauna und Flora aus den Steinbrüchen.

Bildtext#11#: Die Vöslauer Steinbrüche sind in die Waldlandschaft eingesprengte, großflächige Sonderstandorte in der Nähe der Agrarlandschaft. Auf diesen bemerkenswerten Flächen hat sich über Jahrzehnte ein eigenes Artenspektrum gebildet, das sowohl Arten aus der Kulturlandschaft als auch solche der Trockenrasen beherbergen kann. Unter anderem hat hier die Steppen-Sattelschrecke Ephippiger ephippiger ein ausgedehntes Vorkommen. Auf den kargen Bodenflächen sind Italienische Schönschrecke Calliptmus italicus und Blauflügelige Ödlandschrecke Oedipoda caerulescens häufig zu finden. Sobald die offenen Flächen zu sehr wieder von Bäumen besetzt werden, verschwindet auch ein Teil der Fauna und Flora aus den Steinbrüchen.

 

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Ziel dieser Übersicht ist es, naturinteressierten Menschen einen Überblick  über die regionale Heuschreckenfauna zu bieten und die Wichtigkeit der Erhaltung von unterschiedlichen Lebensräumen erkennbar zu machen. Darüber hinaus soll das häufig negativ behaftete Image von Heuschrecken ( von der „biblischen Plage" bis hin zum heute regelmäßig verwendeten, negativen Begriff der „Heuschrecken" in der Wirtschaft) ausgeräumt und stattdessen der Blick auf eine äußerst interessante Tiergruppe gerichtet werden. Für besonders Interessierte finden sich im Anschluss weiterführende Informationen zu diesem Thema. (Anhang )

 

 

 


 

Ein kurzer Überblick

Heuschrecken und Fangschrecken zählen zur Insektengruppe der Geradflügler (Orthoptera), wobei die Gottesanbeterin (mit einer Art in Österreich) nicht zu den Heuschrecken sondern zu den Fangschrecken zählt. Grillen zählen hingegen schon zu den Heuschrecken. Singzikaden (die auch in Bad Vöslau vorkommen) sind - trotz ihrer oft ähnlichen Akustik - weder mit Heu- noch mit Fangschrecken verwandt.

Die Ordnung der Heuschrecken (Saltatoria) umfasst „Langfühlerschrecken" (Ensifera) und „Kurzfühlerschrecken" (Caelifera). Innerhalb dieser beiden Unterordnungen gibt es jeweils zahlreiche Familien und Unterfamilien, die wieder aus Gattungen (= 1. lateinischer Name), diese schließlich aus einzelnen Arten (2./3. lateinischer Name) gebildet werden.

Optische Bestimmungsmerkmale sind bei vielen Arten schwierig und erst nach langer Übung zu erkennen. Sehr hilfreich sind zu Beginn die unterschiedlichen und artspezifischen Gesänge, welche die Bestimmung vieler Arten ermöglichen. Aber nicht alle Arten können singen, bzw. sind auch einige Gesänge so leise, dass man sie ohne technische Hilfsmittel (Fledermaus-Detektor) nicht oder nur sehr schwer wahrnehmen kann.

Der Lebenszyklus von Heuschrecken dauert meist nur eine Saison. Sie überwintern als Ei (im Boden, in Pflanzenstängel etc.) und schlüpfen im Folgejahr als Larve, wobei sie mehrere Larvenstadien durchwandern müssen, ehe das geschlechtsreife Tier (Imago) fertig entwickelt ist. Diese Tiere leben dann in der Norm bis in den Frühherbst und legen bis dahin wiederum Eier für die nächste Generation ab.

 

Bild 07 :Junge Larve einer Langfühlerschrecke...

Junge Larve einer Langfühlerschrecke...

 

Bild 08  ...und einer Kurzfühlerschrecke.

Larve   einer Kurzfühlerschrecke.

 

Bild 09: Häutung der Grauen Beißschrecke zum Imago. Die übrig bleibende Chitinhülle wird als „Exuvie" bezeichnet.

Häutung der Grauen Beißschrecke zum Imago. Die übrig bleibende Chitinhülle wird als „Exuvie" bezeichnet.

Als Nahrungsgrundlage stehen bei den meisten Arten Gräser an erster Stelle. Häufig sind auch „Mischköstler", die sowohl Gräser und Blüten als auch Kleininsekten (z.B. Blattläuse) fressen. Selten sind rein räuberische, also fleischfressende („carnivore") Arten. Zu ihnen zählen bei uns die Große Sägeschrecke und die Gottesanbeterin.

Ausgewählte Arten

(Eine vollständige Liste aller auf Vöslauer Gemeindegebiet festgestellten Arten finden Sie > hier)


Ordnung: Saltatoria (Heuschrecken)
Unterordnung: Ensifera (Laubheuschrecken = Langfühlerschrecken)

 

Bild 10: Gemeine Sichelschrecke Phaneroptera falcata
Die Gemeine Sichelschrecke ist eine typische Art von Saumstandorten und verbuschten Trockenrasen, ist aber auch in Weingärten und Siedlungsgebieten zu finden. Sie ernährt sich gerne von Blüten und Kleininsekten. Als sehr ähnliche Art kommt die Vierpunktige Sichelschrecke Phaneroptera nana im Gebiet vor, die südeuropäischer Herkunft ist.

Gemeine Sichelschrecke Phaneroptera falcata

 

 

Bild 11: Laubholz-Säbelschrecke Barbitistes serricauda
Die Art bewohnt bevorzugt sonnige Waldränder, Lichtungen, Waldschneisen und -wege und lichte Eichenmischwälder. Meistens sind die Tiere grün gefärbt - solch bunte Variationen wie von diesem Weibchen auf dem  Foto sind eher die Ausnahme. Der Gesang der Männchen ist extrem leise und kaum wahrnehmbar.

Laubholz-Säbelschrecke Barbitistes serricauda

 

 

Bild 12: Gestreifte Zartschrecke Leptophyes albovittata, Weibchen
In Bad Vöslau recht häufig auf Trocken- und Magerrasen sowie in Saumbereichen zu finden. Bei den Laubheuschrecken lassen sich Männchen und Weibchen gut unterscheiden - die Weibchen haben eine Legeröhre, mit der die Eier abgelegt werden. Als ähnliche Art kommt noch die Punktierte Zartschrecke Leptophyes punctatissima vor, die auch häufig im Siedlungsgebiet anzutreffen ist.

HeuGestreifte Zartschrecke Leptophyes albovittata

 

 

Bild 13: Punktierte Zartschrecke Leptophyes punctatissima

Punktierte Zartschrecke Leptophyes punctatissima

 

 

Bild 14: Breitstirnige Plumpschrecke Isophya costata
Eine der großen Besonderheiten in Bad Vöslau und eine der wenigen Heuschreckenarten, die sogar unter europäischem Schutz (Anhang-IV der FFH-Richtlinie) stehen. In Bad Vöslau kommt Isophya costata vor allem entlang des Aubaches und des Wasserleitungsdammes vor, dazwischen bestehen vereinzelt gute Populationen in Brachen. Die Männchen beginnen erst am späteren Nachmittag mit ihren Gesängen und sind dann bis spät in die Nacht hinein zu hören. Der Gesang ist allerdings in der Nähe von Hochfrequenzbereichen angesiedelt und daher nicht (oder nicht mehr) für „alle Ohren" wahrnehmbar. Isophya costata zählt zu den frühen Arten im Jahr und ist meist schon ab Ende Mai/Anfang Juni fertig entwickelt. Daneben kommen zwei weitere Plumpschrecken-Arten in Bad Vöslau vor: die Große Plumpschrecke Isohpya modestior (nur auf wenigen Wiesen und Rainen westlich von Gainfarn) sowie Fiebers Plumpschrecke Isophya camptoxypha (im Westteil des Gainfarner Beckens nicht selten). Wichtig für Isophya costata und I. modestior ist - neben der grundsätzlichen Erhaltung ihrer Lebensräume (was vor allem die Erhaltung der Brachen betrifft) - eine nicht zu frühe Mahd ihres Habitats. Die Lebensräume von I. camptoxypha sind weniger gefährdet, da diese Art entlang von Waldrändern und -säumen vorkommt.

Breitstirnige Plumpschrecke Isophya costata

 

 

Bild 15: Wanstschrecke Polysarcus denticauda
In Bad Vöslau nur ganz im äußersten Westen des Gemeindegebiets vorkommend - hier werden die Wiesen am „Himmel" besiedelt. Die Wanstschrecke ist eine sehr frühe Art und oft schon Ende Mai als Imago zu sehen oder hören und lebt dann (je nach Höhenlage) bis Juli und selten bis August. Für die typische Art eher magerer und kräuterreicher Wiesen ist eine nicht zu frühe Mahd von Vorteil. Bereits schmale oder randliche Streifen mit höherer Vegetation können nach der Mahd als Ersatzhabitate das Leben (und somit die Reproduktionsmöglichkeit) dieser flugunfähigen Art noch deutlich verlängern. Balkenmäher erweisen sich allgemein übrigens als weit schonendere Mähvariante für eine Vielzahl an Bodenlebewesen als Kreiselmäher.

Wanstschrecke Polysarcus denticauda

 

 

Bild 16: Große Schiefkopfschrecke Ruspolia nitidula
Noch vor wenigen Jahren gab es die Große Schiefkopfschrecke in Niederösterreich fast ausschließlich in Feuchtgebieten des Wiener Beckens mit nächsten Vorkommen im Raum Moosbrunn. Seit dem Jahr 2009 hat sie sich stark Richtung Westen und Norden ausgebreitet und ist hier nun sogar entlang von Straßengräben etc. zu finden. Auch in Bad Vöslau konnten vereinzelt Tiere festgestellt werden. Einer der Hauptgründe für diese erstaunliche Ausbreitung ist zweifelsfrei das Wetter: die letzten sehr feuchtwarmen Sommer scheinen für die außerordentliche Entwicklung der Populationen extrem günstig verlaufen sein. Noch dazu kann die Schiefkopfschrecke hervorragend fliegen und damit problemlos weite Strecken überwinden. Interessant wird zu beobachten sein, ob und wie lange sich diese attraktive Art in Zukunft in den neuen Gebieten halten kann und wird. Sehr auffällig ist der „elektrisch" anmutende Gesang, der vornehmlich nachts (ab Ende Juli) zu hören ist und sogar aus dem fahrenden Auto registrierbar ist.

Große Schiefkopfschrecke Ruspolia nitidula

 

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