SACHVERHALTSDARSTELLUNG DER STADTGEMEINDE BAD VÖSLAU WIDMUNG „KLEINE HAGELN“
I. Präambel
Diese Sachverhaltsdarstellung verfolgt den Zweck, den Standpunkt der Stadtgemeinde Bad Vöslau als Baubehörde und als Gebietskörperschaft im Zusammenhang mit dem Änderungsverfahren des Örtlichen Raumordnungskonzeptes im Bereich „Kleine Hageln“ in Gainfarn der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Es handelt sich also um keine „Stellungnahme“ oder „Entgegnung“, sondern um eine neutrale, nach fachwissenschaftlichen Kriterien erstellte Zusammenfassung von Fakten – also jener Prüfungshandlungen und Beschlüsse, die für das Zustandekommen der Widmung relevant waren und sind. Weiters wird festgehalten, dass diesen Prüfungshandlungen und Beschlüssen gesetzliche Bestimmungen zugrunde liegen und die Stadtgemeinde Bad Vöslau in den gegenständlichen Verfahren weder als Partei, noch als Projektträger oder Nutznießer auftritt. In diesem Lichte sind nachfolgende Erläuterungen, deren Aussagen schriftlich belegt und überprüfbar sind, zu betrachten.
II. Die örtlichen Gegebenheiten
Die gegenständlichen, unter dem Begriff „Kleine Hageln“ zusammengefassten Liegenschaften sind im Ortsteil Gainfarn zwischen Hauptstraße, Sellnergasse und Oberkirchengasse angesiedelt und im südlichen Bereich mit zwei Hauptgebäuden bebaut. Der östliche Teilbereich weist ferner eine gartenähnliche Gestaltung und Pflege auf, der westliche Teilbereich unterliegt hingegen der natürlichen Sukzession bzw. wird fallweise gemulcht bzw. bewirtschaftet. Topographisch fällt das Gelände in südlicher Richtung ab, wobei zwischen der Oberkirchengasse im Norden und der Hauptstraße im Süden ein Höhenunterschied von rund 18 Metern besteht.
Im Umgebungsbereich schließen die Liegenschaften an das dicht verbaute Siedlungsgebiet an, wobei unterschiedliche Bebauungsformen, angefangen vom „klassischen“ Einfamilienhaus über großvolumige und herrschaftliche Villen bis hin zum mehrgeschossigen Geschoßwohnungsbau, anzutreffen sind. Im Westen befindet sich eine Schloss Gainfarn zugehörige sowie im Eigentum der Stadtgemeinde Bad Vöslau stehende Parkanlage.
III. Die Widmung
Die Widmung des Areals geht auf das Jahr 1955 zurück, als die gegenständlichen Liegenschaften im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gainfarn gänzlich als „Baulandgebiet“ ausgewiesen waren. Diese Festlegung wurde als „Bauland Wohngebiet“ im Zuge der Neufassung des Flächenwidmungsplanes im Jahr 1978 in Folge der Gemeindezusammenlegung übernommen.
Mit Beschluss des Gemeinderates vom 22. April 1993 wurde auf Antrag der damaligen Grundeigentümerin, die Republik Österreich, die Umwidmung einer Teilfläche von „Bauland Wohngebiet – Aufschließungszone“ in „Verkehrsfläche“, zum Zwecke der Errichtung eines Parkplatzes für rund 50 Kraftfahrzeuge, beschlossen. Gemäß den Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 in der damals gültigen Fassung waren als Verkehrsflächen solche Flächen vorzusehen, die der Abwicklung des Verkehrs, der Aufschließung des Baulandes, des Grünlandes sowie für den ruhenden Verkehr dienen.
Eine Differenzierung im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse war nicht vorgesehen. Diese erfolgte erst im Rahmen einer Gesetzesnovelle des NÖ Raumordnungsgesetzes im Jahr 1995, als bestehende Verkehrsflächen automatisch und ohne Zutun der Gemeinde als „Verkehrsfläche öffentlich“ übernommen wurden. Nach der Absiedelung des Ausbildungszentrums der Heeressanitätsanstalt wurde das Areal Anfang des Jahres 2001 veräußert. In den darauffolgenden Jahren kam es zu mehrfachen Änderungen des Örtlichen Raumordnungsprogrammes bzw. wurde in den Jahren 2002 bis 2004 bzw. 2015 bis 2018 eine Gesamtüberarbeitung des
Ausschnitt aus dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gainfarn
Stand vom 3. März 1955, Dr. Ing. Bergmann-Wien, XXV., Perchtoldsdorf
Örtlichen Raumordnungsprogrammes sowie der Neuerstellung des Örtlichen Entwicklungskonzeptes vorgenommen. Im Zuge dieser Verfahren wurde seitens der Fachabteilungen des Amtes der NÖ Landesregierung als Aufsichtsbehörde, kein Änderungsbedarf an der gegenständlichen Widmungssituation gesehen.
Die jüngste Änderung erfolgte im März 2023, wobei die – wie oben ausgeführt wurde – infolge einer Novelle des Raumordnungsgesetzes mittlerweile als öffentlich anzusehende Verkehrsfläche den Eigentumsverhältnissen entsprechend dezidiert als „private Verkehrsfläche“ ausgewiesen wurde. Ursächlich dafür war, dass langjährige Bemühungen der Grundeigentümerin, durch Änderung der „Siedlungsgrenze“ im Regionalen Raumordnungsprogramm eine Wiederaufnahme der Verkehrsfläche in das Bauland zu ermöglichen, seitens der zuständigen Fachabteilungen des Amtes der NÖ Landesregierung negativ beschieden wurden – wenngleich in der naturschutzfachlichen Stellungnahme festgehalten wurde, dass „die ökologische Wertigkeit des in Betracht gezogenen Bereiches [mit der Widmung als „Verkehrsfläche“] als eher gering einzustufen ist“, „eine durch die beantragte Verlegung der Siedlungsgrenze ermöglichte Bauentwicklung nicht grundsätzlich im Widerspruch zu den Gegebenheiten des Landschaftsbildes steht“ bzw. „Auswirkungen auf das nahegelegene Europaschutzgebiet ausgeschlossen werden können“ und folglich „von naturschutzfachlicher Seite kein Versagungsgrund“ gesehen wird.
Das Ansuchen der Grundeigentümerin, den Antrag auf Änderung der Siedlungsgrenze namens der Stadtgemeinde Bad Vöslau einzubringen, wurde dabei einstimmig im zuständigen Bauausschuss befürwortet, wobei im Falle einer positiven Beurteilung in weiterer Folge der Gemeinderat damit befasst werden sollte. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des Änderungsverfahrens, der raumordnungsrechtlichen Entscheidung des Amtes der NÖ Landesregierung folgend, von einer Wiederaufnahme der Fläche ins Bauland abgesehen und stattdessen die Korrektur der Verkehrsfläche im Hinblick auf die Eigentümerschaft von „Verkehrsfläche öffentlich“ in „Verkehrsfläche privat“ vorgenommen. Als Teil der öffentlichen Änderungsunterlagen wurde zusätzlich durch das Büro „Land.In.Sicht - DI Thomas Proksch“, Ingenieurkonsulent für Landschaftsplanung und Landschaftspflege eine naturschutzfachliche Stellungnahme abgegeben, der zufolge „relevante Beeinträchtigungen der örtlichen Schutzgüter auf der Projektfläche sowie auch im Bereich der angrenzenden Umlandflächen, wie insbesondere auch der angrenzenden Europaschutzgebietsflächen“ auszuschließen sind.
Während der Auflagefrist wurde zeitgerecht durch Dr. Karl Holaubeck & Mitunterzeichnende eine Stellungnahme abgegeben. Die darin vorgebrachte Rechtsansicht fußt auf einem Rechtsgutachten von Prof. Mag. Dr. Gerhard Muzak und wurde im Gemeinderat umfassend behandelt. In Ermangelung stichhaltiger Versagungsgründe konnte diese jedoch keine Berücksichtigung finden. Das Gutachten Muzaks wurde in der Folge den Fachabteilungen des Amtes der NÖ Landesregierung übermittelt. Das Land NÖ folgte dabei in seiner Beurteilung der Rechtsansicht der Stadtgemeinde, wobei keine Versagungsgründe oder Widersprüche zu den Zielen und Intentionen der landesgesetzlichen Bestimmungen festgestellt werden konnten. Die Stellungnahme der Stadtgemeinde wurde darüber hinaus von den Experten der renommierten und auf raumordnungs- und verfassungsrechtliche Fragen spezialisierte Wiener Kanzlei „fwp – Fellner, Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte“ überprüft und bestätigt.
Im Gutachten der zuständigen Amtssachverständigen des Landes wurde festgehalten, dass es sich hier um eine bloße Widmungskorrektur handelt, „weil davon auszugehen ist, dass die Verkehrsflächenwidmung bislang ohnehin als ‚privat‘ zu sehen war“. Auch aus Sicht des Fachbereichs Naturschutz werden keine maßgeblichen negativen Auswirkungen auf die relevanten Schutzgüter erwartet. Weiters wird raumordnungsrechtlich bestätigt, dass die Widmung einer Verkehrsfläche innerhalb einer Pflegezone des Biosphärenpark Wienerwald zulässig ist, zumal der Verordnungsgeber eine solche explizit nur innerhalb einer Kernzone ausgeschlossen hat. Hinsichtlich der Vorgaben im Regionalen Raumordnungsprogramm wird ausgeführt, dass grundsätzlich mit dessen Inkrafttreten eine Anpassung des Örtlichen Raumordnungsprogrammes der Stadtgemeinde notwendig gewesen wäre. Dieser Änderungsbedarf wurde im Laufe der Jahre und während zweier Gesamtüberarbeitungen, wohl bedingt durch die wechselnden Proponenten, von keiner Seite erkannt.
In Folge einer mittlerweile in Umsetzung befindlichen Änderung des Regionalen Raumordnungsprogrammes, die ebendiesen Änderungsbedarf im gegenständlichen Bereich obsolet macht, wird daher seitens der Rechtsabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung festgehalten, dass kein Versagungsgrund gemäß den Bestimmungen und Zielsetzung des NÖ Raumordnungsgesetztes 2014 i.d.g.F. mehr vorliegt. In weiterer Folge wurde auf Antrag der Anrainerinnen und Anrainer der Sachverhalt der Volksanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt, wobei festgestellt wurde, dass die vorgenommene Widmungsänderung zulässig und sohin rechtskonform ist. Abseits der verabsäumten Umwidmung im Jahr 2001 wurde seitens der Volkanwaltschaft festgehalten: „Was das Vorliegen der Änderungsvoraussetzungen (§ 25 Abs. 2 Z 2, 5 und 7 NÖ ROG 2014), die Grundlagenforschung und Interessenabwägung, die Ausweisung als „private Verkehrsfläche – Parkplatz“ (§ 19 Abs. 1 und 2 NÖ ROG 2014), die Pflegezone des Biosphärenparks Wienerwald (§ 2 Abs. 3 der Verordnung LGBl 2019/53), die Befangenheit von Mitgliedern des Gemeinderates (§ 50 NÖ GemO 1973) und die Objektivität eines Gutachters anlangt, hat die Volksanwaltschaft keinen Missstand in der Verwaltung der Stadtgemeinde Bad Vöslau festgestellt.“
Zudem wurde im Vorfeld des Widmungsverfahrens in Entsprechung der durch den Gemeinderat verordneten Freigabebedingungen für die Baulandflächen ein Qualitätssicherungsverfahren in Gestalt eines Architekturwettbewerbes durchgeführt. Das Preisgericht wurde dabei von Univ.-Prof. DI Rudolf Scheuvens, DASL, seines Zeichens Dekan der Fakultät für Architektur und Raumplanung der technischen Universität Wien sowie international renommierter Experte für Städtebau und Stadtgestaltung, geleitet und aus fünf Planungsentwürfen jener des Architekturbüros „FSA – Freimüller-Söllinger Architektur“ in Verbindung mit dem Freiraumplanungsbüro „YEWO Landscapes“ einstimmig durch das Preisgericht zur Umsetzung empfohlen. Im Sitzungsprotokoll wird hierzu u.a. festgehalten, dass der Entwurf „sensibel auf den besonderen Charakter der Nachbarschaft reagiert“ und „ein glaubwürdiger und wegweisender Beitrag zu einer Auseinandersetzung mit dem Anspruch der Klimaresilienz geliefert“ wird. Das Preisgericht wertet den Entwurf „als wirklich überzeugenden Beitrag zur gestellten Aufgabe bezogen auf den sensiblen Umgang mit dem besonderen Ort. Bebauung und Freiraum stehen in einem harmonischen Verhältnis zueinander, was den Villencharakter der nachbarschaftlichen Umgebung aufnimmt und in einer zeitgemäßen Art und Weise interpretiert.“ Zur Absicherung einer qualitätsvollen Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses wurde zudem ein Raumordnungsvertrag zwischen der Grundeigentümerin und der Stadtgemeinde geschlossen.
IV. Das Regionale Raumordnungsprogramm
Regionale Raumordnungsprogramme bilden die Grundlage für die regionale räumliche Entwicklung Niederösterreichs und konkretisieren die Ziele des Landes für die einzelnen Landesteile. Sie werden per Verordnung erlassen und entfalten in ihrer Wirkung direkten Einfluss auf die Örtliche Raumordnung. Das Regionale Raumordnungsprogrammes „Südliches Wiener Umland“ wurde erstmalig 1999 durch das Amt der NÖ Landesregierung erlassen. Im Bereich des gegenständlichen Areals wurde eine „Siedlungsgrenze“ festgelegt, die sich entlang der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Baulandgrenze orientierte, wodurch der nunmehr als Parkplatz gewidmete Bereich außerhalb selbiger zu liegen kam.
Zielsetzung der Siedlungsgrenze war es, gemäß Siedlungsgrenzdatenblatt „die freien Hanglagen und Weingärten im Landschaftsschutzgebiet Wienerwald“ am nördlichen Ortsrand von Gainfarn zu erhalten. Durch „Landwirtschaftliche Vorrangzonen“ sollten ferner „zusammenhängende Flächen, die eine besondere natürliche Eignung für die landwirtschaftliche Nutzung aufweisen oder für das Erscheinungsbild der Kulturlandschaft von Bedeutung sind, vorrangig einer solchen Nutzung zugeführt werden.“ Bei Betrachtung der Plandarstellungen des Regionalen Raumordnungsprogrammes zeigt sich, dass diese Festlegung mit einer sehr großzügigen Interpretation und zumeist ohne Betrachtung der bestehenden oder geplanten Widmungssituation ausgewiesen wurden. So sind beispielsweise das Areal der Verbandskläranlage, diverse Sporteinrichtungen wie u.a. der Golfplatz in Brunn am Gebirge, Kleingartenanlagen und insbesondere unterschiedliche Verkehrsflächen darin aufgenommen.
Dies lässt den Schluss zu, dass durch den Verordnungsgeber mit der großzügigen Ausweisung einer „Landwirtschaftlichen Vorrangzone“ von vornherein kein Automatismus hinsichtlich einer etwaigen Abänderung der örtlichen Raumordnungsprogramme angedacht gewesen sein kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass vornehmlich im Fall einer Widmungsänderung innerhalb derartiger Zonen die Zielsetzungen des Regionalen Raumordnungsprogrammes Berücksichtigung finden sollen. Ebenso zeigt sich bei Betrachtung der gewidmeten Verkehrsfläche, dass diese ob der Lage zwischen den Verkehrswegen der Oberkirchengasse und der Hauptstraße sowie im Nahbereich zum bebauten Siedlungsgebiet einerseits und im Hinblick auf den Baumbestand am Areal selbst andererseits nur sehr eingeschränkt für eine landwirtschaftliche Nutzung geeignet erscheint bzw. in diesem Zusammenhang keine besondere Rolle für das Erscheinungsbild der durch Weinbau geprägten Kulturlandschaft einnimmt.
Dieser Umstand fand auch Eingang in die Regionale Leitplanung, ein Prozess, der von Herbst 2021 bis Herbst 2022 landesweit durchgeführt wurde. Die Regionalen Leitplanungen wurden der Erstellung bzw. Überarbeitung von Regionalen Raumordnungsprogrammen vorgelagert, um raumrelevante Themen zwischen Land NÖ und Gemeinden mit Unterstützung interner und externer Fachexpertinnen und Fachexperten abzustimmen. Anstelle „Landwirtschaftlicher Vorrangzonen“ werden hier künftighin „Agrarische Schwerpunkteräume“ definiert, wobei den örtlichen Gegebenheiten folgend der gegenständliche Bereich (wie im Übrigen auch zahlreiche weitere Bereiche) von dieser Festlegung nicht mehr umfasst sind. Aktuell wird der formale Verordnungswerdungsprozess durchgeführt, der im Lauf des Jahres abgeschlossen sein soll. Daher besteht gemäß § 24 NÖ Raumordnungsprogramm kein Versagungsgrund im Hinblick auf das rechtsgültige Regionale Raumordnungsprogramm. Es wird festgehalten, dass die derzeit rechtsgültige und rechtskräftige Widmungssituation mehrfach und in großer juristischer Tiefe geprüft und sowohl in rechtlicher als auch fachlicher Hinsicht bestätigt wurde.